Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hinten gegen die Betonwand. Vom Gummiband seiner Unterhose bis über den ganzen Bauch zog sich eine Linie dunkler Haare. Er rührte das Eis in seinem Drink mit dem Finger um. Dann schwieg er eine Weile. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor.
»Nachdem es mich erwischt hatte, kam ich nicht wieder zu meinem alten Zug«, sagte er. »Statt dessen haben sie mich einem Haufen Verlierer zugeteilt. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur schon zu lange da draußen gewesen. Der eine Typ hatte eine Skalplocke von einer Frau an seinem Gewehr, ein anderer gab einem kleinen Jungen einen Wärmezünder und sagte ihm, es sei ein Bonbon. Wie auch immer, jedenfalls mochte ich sie alle nicht. Was nur recht und billig war, weil sie mich nämlich auch nicht mochten und die ganze Zeit wie einen grünen Jungen behandelten.
Eines Abends erhalten wir also vom Lieutenant den Befehl, auf einem Pfad ungefähr vier Kilometer landeinwärts zu marschieren und uns dort in den Hinterhalt zu legen. Nach einem Kilometer kommen wir an einem winzigen Dorf an einem kleinen Flüßchen vorbei, und wir marschieren noch einen Kilometer, schließlich sagen alle, ›Scheiße, das war’s, soll der Lieutenant doch seinen eigenen Hinterhalt legen.‹
Aber während wir so da draußen in der Dunkelheit rumsitzen, ist es so, als seien alle mit den Gedanken ganz woanders. Es ist heiß und still, und wir klatschen nach Moskitos und riechen unseren eigenen Schweiß. Wir schauen immer wieder auf die Uhr und denken, noch sechs Stunden. Dann reibt sich der Typ mit der Frauenlocke am Gewehr – sein Name war Elvis Doolittle, allen Ernstes, das hab ich nicht erfunden – am Bart und blickt immer wieder dahin, wo wir herkamen. Schließlich steckt er sich eine Zigarette in den Mund. Der Sani sagt: ›Scheiße, was machst du da, Elvis?‹
Er sagt: ›Ich geh zurück zu dem Dorf.‹
Darauf sagt keiner was. Aber jeder hatte diese zwei Schwestern im Teenageralter mit der Mutter vor der Hütte sitzen sehen. Und sie wissen, was im Kopf von Elvis vorgeht. Dann sagt er: ›Mouse und der Neue bleiben hier. Niemand wird’s je erfahren. Das Dorf war ohnehin fällig. Die Tretmine, die Brown erwischt hat. Die haben die aufgestellte.‹
›Das weißt du nicht‹, sagt Mouse.
›Wenn sie sie nicht selbst aufgestellt haben, wissen sie, wer’s gewesen ist‹, sagt Elvis.
Dann sprachen sie es durch, und mein Herz fing an, wie verrückt zu rasen. Und nicht wegen dem, was sie vorhatten, sondern weil ich Angst hatte, nur mit einem andern allein auf dem Pfad zurückzubleiben.
Elvis dreht sich zu mir um und sagt: ›Wenn du auch nur einen Ton zu jemand darüber sagst, kommst du nicht mehr nach Hause, Mann.‹ Dann waren sie verschwunden. Die Bäume standen so dicht, daß sie einfach mit der Dunkelheit verschmolzen. In dem Blätterdach über uns hörte man Affen herumhuschen und schnattern und Nachtvögel, und weiter hinten im Dschungel knackte es immer, als brächen Stöcke. Der Schweiß rannte mir aus dem Helm, und ich bekam nicht mehr richtig Luft. Dann hörten wir es irgendwo scheppern.
Mouse flüsterte mir zu: ›Das war da oben auf dem Pfad. Scheiße, das war da oben auf dem Pfad.‹
Ich sag ihm, er solls Maul halten und die Ohren aufsperren, und er sagt: ›Scheiße, das ist die NVA.‹
Ich sag ihm noch mal, er solls Maul halten, aber er sagt: ›Die haben uns im Stich gelassen, Mann. Das ist nicht richtig. Ich mach, daß ich hier wegkomme.‹
Unter seinem Helm macht er Augen, so groß wie Fünfzigcentmünzen, und ich versuche, die Ruhe zu bewahren, als hätte ich alles unter Kontrolle, aber der Schweiß brennt mir in den Augen, und meine Hände zittern wie bei einem Malariaanfall. Dann höre ich wieder was weiter oben auf dem Pfad.
›Das reicht‹, sagt Mouse. ›Machen wir, daß wir hier wegkommen.‹
Ich leg ihm die Hand auf den Arm. ›Okay, Mann, wir gehen zurück zum Dorf‹, sage ich. ›Aber was ist mit dem, was du da sehen wirst?‹
›Ich werde nichts sehen‹, sagt er. ›Es geht mich nichts an. Ich hab nur noch achtzehn Tage, dann hat mich die Welt wieder. Und in ein Kriegsgerichtsverfahren laß ich mich auch nicht reinziehen. Mach du, was du willst, Cardo.‹
Er bricht auf, und ich folge ihm eine Minute später, schlappe hinterher wie der letzte Arsch, um Zeuge von etwas zu werden, von dem ich am liebsten gar nichts wissen will, und alles nur, weil ich Angst habe.
Als wir wieder im Dorf ankommen, hat Elvis alle Schlitzaugen in die Hütten gesteckt und den Sani
Weitere Kostenlose Bücher