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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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mit einer Taschenlampe in die Hütte geschickt, in der sich die beiden jungen Mädchen aufhalten. Der Sani kommt wieder raus und sagt: ›Sie sind sauber‹, und dann gehen Elvis und so ein großer schwarzer Typ rein. Ungefähr zehn Minuten später kommt Elvis wieder raus, zieht sich den Hosenladen zu. Dann sieht er mich und Mouse da am Pfad sitzen.
    ›Ihr blöden Scheißer‹, sagt er. ›Macht sofort, daß ihr wieder da hochgeht.‹
    ›Das mach ich nicht, Elvis‹, sagt Mouse.
    Er packt Mouse am Hemdrücken und zieht ihn hoch aus dem Schlamm, genau so, wie man einen Sack dreckiger Wäsche vom Boden aufhebt.
    ›Fick dich ins Knie, Mann. Wir gehen da nicht wieder alleine hoch‹, sage ich. ›Wir haben da oben irgendwas scheppern hören. Ihr habt uns im Stich gelassen. Wenn die da durchkommen, steckt ihr schwer in der Scheiße.‹
    Er steht da wie erstarrt, und Mouse baumelt förmlich an seiner Faust. Er sagt: ›Was soll das heißen, da hat was gescheppert.‹
    Bevor ich antworten kann, rennt plötzlich ein alter Mann über die Lichtung und will in die Hütte, wo sich gerade zwei andere Typen über die Mädchen hermachen. Er brüllt irgendwas auf vietnamesisch, und der große Schwarze hält ihn an den Handgelenken fest, und alle lachen. Dann fängt eine der Schwestern drinnen an zu kreischen, und noch mehr Schlitzaugen kommen aus den Hütten. Die Situation verschlechtert sich in Windeseile. Elvis läßt Mouse los und läuft schnell über die Lichtung, als die zwei anderen wieder aus der Hütte kommen.
    Der eine von ihnen ist der Typ, der dem Kind den Wärmezünder gegeben hatte. Er und Elvis blicken einander an, dann sagt der Kerl: ›Die Kacke ist bereits am Dampfen, Mann.‹
    Der alte Mann geht in die Hütte, und man hört drinnen noch mehr Geschrei. Dann sagt Elvis: ›Was hast du mit ihr gemacht?‹
    Und dieser Typ sagt: ›Nichts anderes als du.‹
    Aber der Kerl, der mit ihm drin war, sagt: ›Er hat ihr gesagt, er bringt ihr Baby um, wenn sie ihm keinen bläst.‹
    Mittlerweile wollte ich nur noch weg, so daß ich gar nicht mitkriegte, wer die Granate warf. Ich war schon auf dem Weg, als ich die Explosion hörte. Aber jemand hatte sie mitten rein in die Hütte geworfen, die Hütte, in der die zwei Schwestern und der alte Mann und vielleicht ein kleines Baby waren. Da rannte ich los. Als ich einmal zurückblickte, sah ich über den Bäumen die Funken von der brennenden Hütte. Ich weiß nicht, ob sie dort noch jemand umgebracht haben oder nicht. Ich hab nie gefragt, und ich hab auch niemals jemand davon erzählt. Am nächsten Tag hab ich mich freiwillig zur Arbeit in der Leichenhalle in Chu Lai gemeldet.«
    »In der Leichenhalle?« sagte ich.
    »In der Leichenhalle. Ich hab sie aus den Leichensäcken geholt, hab ihnen Mund und Ohren sauber gemacht, sie mit dem Schlauch abgespült, mit Balsamierungsflüssigkeit eingeschmiert und schließlich in Holzkisten gesteckt. Denn vom Krieg hatte ich die Schnauze voll. Und ich hatte auch kein Rückgrat mehr. Ich ging da einfach nicht mehr raus. Es war mir egal, ob ich jetzt in der Öffentlichkeit als Feigling dastand oder nicht.«
    Er trank von dem Bourbon, beugte sich dann nach vorne auf seine Oberschenkel. Er wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und starrte seine Hand an.
    »Vielleicht gehörte viel Mut dazu, gerade so zu handeln, Tony«, sagte ich.
    »Nein, ich hatte Angst. Da führt kein Weg dran vorbei.« Seine Stimme klang müde.
    »Es hätte andere Wege für Sie gegeben, dem Dschungel den Rücken zu kehren. Sie hätten sich selbst eine kleine Wunde zufügen können. Mit einem zweiten Purple Heart hätten Sie automatisch keinen Frontdienst gemacht. Glauben Sie nicht auch, daß Sie sich vielleicht deshalb freiwillig zum Dienst in der Leichenhalle gemeldet haben, weil Sie sich selbst bestrafen wollten?«
    Er hob den Kopf und blickte mir ins Gesicht. Die Haut um sein linkes Auge war nachdenklich in Falten gezogen.
    »Wenn Sie wollen, können Sie sich für den Rest Ihres Lebens selbst zerfleischen. Aber das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen, ein Feigling sind Sie nicht. Und da ist noch was, über das Sie mal nachdenken sollten. Selbst an Ihrem beschissensten Tag da drüben haben Sie vermutlich Situationen durchgestanden und sich darin bewährt, die sich ein normaler Mensch nicht mal vorstellen kann. Das war unser Krieg, Tony. Leute, die nicht dabei waren, können das nicht verstehen. Und die meisten wollten es nie verstehen. Aber stellen Sie sich doch

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