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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Bier getrunken und Hamburger gegrillt hatten, hatten sich zu Boden fallen lassen oder waren im Büro unter den Fenstern in Deckung gegangen.
    Tony versuchte hinter einer Tonne hervorzublicken, und Boggs feuerte erneut, dieses Mal Rehposten. Der Schuß streifte die Tonne hinter uns an der Seite und riß fünf Locher, die so eng beieinander lagen, daß ich sie mit den Fingern meiner Hand bedecken konnte, in die Blechwand. Dann eröffnete jemand im Büro das Feuer mit einer Faustfeuerwaffe, vermutlich einem Revolver, denn er gab fünf Schüsse ab, die wild über den Betonboden pfiffen; dann mußte er wohl nachladen. Als er das tat, hielt ich die .45er mit beiden Händen hoch über Tonys Kopf und nahm das Büro unter Beschuß, bis der Rückstoß meine Hände ganz taub gemacht hatte. In meinen Ohren dröhnte es wie Meeresrauschen, und der Verschluß der Waffe klickte, als das Magazin leer war. Die Hohlspitzgeschosse schlugen baseballgroße Löcher in den umgekippten Picknicktisch und ließen einen wahren Schauer von dreieckigen Glasscherben ins Innere des Büros prasseln, aber der untere Teil der Bürowand war aus Klinkersteinen, und die Hohlspitzgeschosse zersplitterten und blieben darin stecken und konnten den Männern auf dem Fußboden nichts anhaben.
    Meine Hände zitterten, als ich das leere Magazin herauszog und ein neues einrasten ließ. Tony fuhr sich mit den Fingern durch die federnden Locken.
    »Jetzt stecken wir schwer in der Scheiße«, flüsterte er.
    »Wir warten, bis sie rauskommen«, sagte ich.
    »Sind Sie bescheuert? Wenn es Jimmie Lee oder einer von den anderen nach draußen schafft, kann er uns von hinten in die Zange nehmen und uns durch die Wand hindurch abknallen. Das ist nur eine Frage der Zeit. Ich habe nur dieses Magazin. Was haben Sie?«
    »Das, was Sie sehen.«
    Seine Gesichtshaut war trocken und straff gespannt, und die Augen hatten dasselbe dunkle Leuchten wie in seinen besten Zeiten als Speedfreak. Er atmete tief in der Brust, als versuche er, seinem Blut schnell Sauerstoff zuzuführen. Sein Blick ging zu den großen, runden silbernen Tanks mit Flüssigpropan, die an der angrenzenden Wand standen.
    »Nein«, sagte ich.
    »Sie kennen es vielleicht aus den Erzählungen anderer. Aber ich hab’s am eigenen Leib erlebt. Der Captain sah keine andere Möglichkeit mehr, und wir mußten da durch.«
    »Tun Sie’s nicht, Tony.«
    »Blödsinn. Es gibt Situationen, da muß man aufs Ganze gehen. Sonst kann man nicht gewinnen. Wenn Sie das nicht wissen, wissen Sie gar nichts.«
    Ich wollte die Hand ausstrecken, seine Waffe herunterreißen, in diesem letzten Augenblick irgendwie den Wahnsinn, der in ihm hauste, bändigen. Doch statt dessen starrte ich ihn nur wie betäubt an, als er sich auf einem Knie drehte, auf einen Propantank zielte und schoß. Die Automatik bäumte sich in seiner Hand auf, und die Kugel prallte oben am Tank ab und traf einen Metallholm in der Wand. Er ging so tief in die Knie, daß er auf der einen Seite auf der Ferse saß, stützte das Handgelenk am Knie ab, zielte etwas tiefer und drückte erneut ab.
    Dieses Mal traf er den Tank genau in der Mitte. Sauber wie eine Stanzmaschine riß die Kugel ein großes Loch hinein. Das Propan sprudelte in Strömen auf den Betonboden. Der beißende Geruch traf einen wie ein Schlag ins Gesicht.
    Seine .45er lag jetzt am Boden, und seine Hände zitterten, als er ein Streichholz aus einem Heftchen riß und das Heftchen aufklappte, so daß alle Streichhölzer offenstanden. Ich konnte hören, wie sich die Männer im Büro auf den Glasscherben hin und her bewegten.
    »Tony –«, sagte ich. Ich stand wieder zwischen den Tonnen mit dem Rücken an der Wand. Schwer und feucht lag der Propangeruch in der Luft.
    »Was?« sagte er.
    »Tony –«
    »Es ist unsere einzige Chance. Das wissen Sie.«
    Ich faßte an mein Heiligenmedaillon und schloß die Augen und öffnete sie wieder. Mein Herz donnerte wie wild gegen meinen Brustkorb.
    »Tun Sie’s«, sagte ich.
    »Hören Sie, wenn Sie hier rauskommen und ich es nicht packe, halten Sie verflucht noch mal Ihr Versprechen. Sie kümmern sich um meinen Sohn.«
    »In Ordnung, Tony.«
    Boggs trat mit einem großen Schritt hinter dem Coca-Cola-Automaten hervor und feuerte eine Ladung Rehposten ab, die dumpf an meinem Ohr vorbeizischten und den Deckel von einer Metalltonne rissen. Er rollte wie ein Kreisel über den Zementboden. Tony entfachte das einzelne Streichholz in seiner Hand, hielt die Flamme an die restlichen

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