Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
sie. In Hemd und Gürtel fühle ich das Krabbeln von Ameisen, und direkt vor mir, wo das Elefantengras einen kleinen Abhang hinunter in eine Schlucht führt, schwebt eine graue Wolke von Moskitos über einem abgestorbenen Baumstamm, und ein roter Tausendfüßler, so dick wie ein Bleistift und an die 20 Zentimeter lang, bahnt sich seinen Weg über den feuchten Boden.
In der Nase habe ich den modrigen Geruch von Schlamm und stehendem Wasser, das scharfe Aroma der Angst, das meinen eigenen Achseln entstammt. Neben mir liegt ein achtzehn Jahre alter Junge aus West Memphis, Arkansas, den alle nur Doo-Doo nennen, Patronengurte um die nackte Brust geschlungen, ein grünes, schweißdurchtränktes Handtuch hinten aus dem Helm herunterhängend.
Sein Knöchel ist gebrochen, und er dreht sich immer wieder um, um den Fuß und den Stiefel, den er halb ausgezogen hat, in Augenschein zu nehmen. Sein Strumpf sieht aus wie verfaultes Käseleinen. Geplatzte Blutgefäße ziehen sich durch das Weiße seiner Augen.
»Sie haben Martinez’ Granatwerfer. Gehen Sie da nicht raus, Lieutenant. Die warten hinter den Bäumen auf Sie«, sagt er.
»Sie werden ihn an einem Baum aufhängen.«
»Er ist mitten in dem Graben. Den bringen Sie da nicht raus. Die warten auf Sie, Lieutenant. Ich hab sie gesehen.«
Die Sturzbäche von Schweiß, die unter seinem Helm hervorquellen und ihm an Gesicht und Schultern hinunterfließen, sehen auf seiner schwarzen Haut aus wie Linien aus durchsichtigem Kunststoff.
Ich krieche auf dem Bauch durch das Gras, den Lauf der .45er knapp oberhalb des Schlamms. Die Unterseite meines Körpers ist glitschig von grünschwarzem Schlick; meine Ellbogen, Knie und Stiefel erzeugen bei jeder Vorwärtsbewegung schmatzende Geräusche. Kratzer und Moskitos bringen mein Gesicht zum Glühen. Hinter mir höre ich Doo-Doo ein Magazin in sein Gewehr schieben.
Am Rand des kleinen Talbeckens wird das Gras weniger dicht, und unten am Hang liegt Martinez wie gekreuzigt im flachen Wasser. Es hat ihm die Jacke von der Brust gerissen, und sein Gesicht ist weiß von der Erschütterung. Sein verbeulter Helm liegt ungefähr 20 Meter weit weg. Er hat lange Wimpern, wie ein Mädchen, und sie hören nicht auf zu flattern, als er zu mir aufsieht; sein Mund öffnet und schließt sich, als versuche er, die Ohren freizubekommen.
Auf der anderen Seite des Talbeckens ist das Gelände flach und an die 30 Meter frei bis zu einer Reihe von Gummibäumen. Das Sonnenlicht hier ist grell und diesig, und ich schütze mit der Hand die Augen und versuche so tief ich kann in die Schatten der Gummibäume zu sehen. Kein Hauch regt sich in der Luft, und die Schilfgräser entlang der Böschung sind völlig regungslos. Ich lasse mich über den Rand des Talbeckens fallen und rutsche aufrecht stehend den Hang hinunter, die Stiefelabsätze tief in den Schlamm gegraben.
Martinez versucht zu sprechen, aber ich sehe jetzt die offene Wunde, den Pneumothorax, und das zerrissene, nasse Unterhemd, das über der Brusthöhle durch die austretende Luft aufgebläht wird und hin- und herflattert. Er klingt wie ein Mann, der an seinem eigenen Speichel erstickt.
Ich versuche ihn auf meine Schultern zu heben und je einen Arm und ein Bein vor mir zu halten, aber mein Knie gibt nach, und wir fallen beide in eine Pfütze schlammigen Wassers, das noch heißer ist als die Luft. Dann sehe ich sie aus den Gummibäumen heraustreten, die Sonne im Rücken. Sie erscheinen nicht größer als Kinder. Die schwarzen Pyjamas kleben feucht an ihren Körpern; ihre Gesichter sind bis auf die Knochen abgemagert und voller Zähne. Einer von ihnen geht in die Hocke und zielt mit dem Granatwerfer von Martinez auf mich. Der Mann hinter ihm schüttelt für seine Freunde Zigaretten aus einer Packung Lucky Strikes. Alle lachen sie.
Meine .45er liegt irgendwo im trüben Wasser, meine Stiefel stecken im Schlamm fest. Ich höre Doo-Doo schießen, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich starre auf meinen Scharfrichter. Mein Körper ist völlig bedeckt von dem subtropischen Gestank seines Landes, und ein wortloses Gebet zischt wie Sand aus meiner Kehle. Der kurze dicke Lauf des Granatwerfers bäumt sich mit einem satten Röhren in seinen Händen auf, und einen Augenblick später bin ich umhüllt von Flammen und fühle einen Schmerz in meiner Brust, als bohre sich scharfes Eisen durch meine Sehnen und Knochen.
Dann bin ich auf allen Vieren, wie ein Hund, und erbreche Blut auf meine Hände. In dem Rauch und
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