Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ich meine. Wer immer Ihnen meinen Namen gegeben hat, lag also nicht ganz falsch. Aber das ist vorbei. Vor einem Jahr bin ich auf Entzug gegangen. Mein einziges Problem besteht jetzt darin, daß ich ohne Unterlaß esse.«
»Sie machen eine 12-Stufen-Therapie?«
»Was?«
»Sie sind nicht mehr im Geschäft?«
»Das trifft’s so ziemlich.«
»Sagen Sie, wie macht man das, bei einem Burschen wie Tony C. so mir nichts, dir nichts den Dienst zu quittieren? Sind Sie einfach eines Tages bei ihm vorbeigekommen und haben gesagt: ›Ich hab die Faxen dicke, Tony. Ich steig aus, bis die Tage, fick dich ins Knie, wenn’s dir nicht paßt‹?«
Diesmal erreichten die Worte einige Nervenenden hinter dem lächelnden rosigen Gesicht. Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in steilem Winkel hoch in die Luft.
»Diesem Herrn bin ich noch nie begegnet«, sagte er. Um seine Augen herum zeigten sich kleine Fältchen.
»Ich verstehe. Tut mir leid, Ihre Zeit in Anspruch genommen zu haben. Ich gehe jetzt, Mr. Fontenot. Nur eines noch: Wenn Sie das nächste Mal jemandem den Bären mit dem Entzug aufbinden wollen, sollten Sie sich besser vorher darüber informieren, was eine 12-Stufen-Therapie ist.«
Er klopfte die Asche in einen Aschenbecher und blickte wohlgefällig in den Zigarettenrauch, ohne die Augen auf etwas gerichtet zu haben.
»Sagen Sie Tony C, daß sein Vertrieb im Südwesten von Louisiana absolut lausig ist«, sagte ich. »Ich könnte den Umsatz dort jederzeit verdoppeln oder gar verdreifachen. Aber ich habe nichts zu beweisen. Da sind so ein paar Typen in Texas, die gerne expandieren würden.«
»Vielleicht sollten Sie dann mit denen Ihr Geschäft machen.«
»Sie haben einen schlechten Ruf. Aber vielleicht haben Sie recht. Wenn ich Tony C. treffe, werde ich ihm erzählen, was Sie gesagt haben.«
»Moment, nicht so schnell ...«
»Ich nehm’s Ihnen nicht übel, daß Sie mich verarschen, Mr. Fontenot, aber wenn Sie zur Sache kommen wollen, hinterlassen Sie doch einfach eine Nachricht für mich in Clete’s Club. Ich melde mich dann.«
Ich ging durch den T-Shirt-Laden wieder zurück und trat in die Neonlichter und die Kakophonie zahlloser Jazz- und Rockbands auf der Bourbon Street.
Ich war müde, unrasiert, und ich hatte genug von den Leuten, mit denen ich die letzten Stunden verbracht hatte. Mir dröhnten die Ohren von den ganzen Trompeten und Posaunen und elektrischen Gitarren, aber ich wollte auch nicht in die Wohnung zurück, wo ich ja doch nur allein gewesen wäre. Ich ging zum Café du Monde, wo ich mir Kaffee und beignets genehmigen wollte, aber es war bereits geschlossen. Also setzte ich mich auf eine eiserne Bank vor der Kathedrale am Jackson Square und beobachtete, wie der Mond am Nachthimmel aufging. Der Duft von Kamelien lag schwer in der Luft, und die Magnolien und Bananenstauden, die entlang des Zauns hinter mir wuchsen, warfen diffuse Muster aus Schatten und Licht auf den Betonuntergrund. Vom Fluß her kam Wind auf, und leichter Nebel zog auf. Dann prasselte ein kurzer Regenschauer auf die Bananenblätter auf dem Platz und nieselte wie eine feine Sprayschicht in die erleuchteten Säulengänge. Auf einer ruhigen Straße ging ich nach Hause, losgelöst vom Lärm der Touristen. Ich hielt mich direkt unter den verschnörkelten Eisenbalkonen, um nicht allzu naß zu werden.
Am nächsten Morgen war es warm und schwül, wie es im Süden von Louisiana bis Weihnachten und noch später nicht unüblich ist, und ich ging ins Café du Monde, um zu frühstücken und die Times Picayune zu lesen, bevor die Touristenmassen auftauchten. Danach lief ich an den Straßenkünstlern vorbei über den Platz und ging kurz in die Kathedrale, weil Allerheiligen war. Später fand ich noch zwei der Leute, deren Namen mir Minos zur Kontaktaufnahme gegeben hatte. Der eine betrieb eine Kautionsagentur und sagte mir, ich solle mich aus seinem Büro scheren, und die zweite Person war eine Frau mit einer okkulten Buchhandlung, die nach vollgepinkeltem Katzenstreu roch. Ihr Gesicht war weiß geschminkt, die Augen mit lila Eyeliner scharf umrandet, und ihr Nikotinatem haute mich fast um. Eine geschlagene Viertelstunde gab ich vor, ihre Regale zu studieren, während sie mit ihrer Kundschaft emsige Gespräche über telepathische Kommunikation mit Ufos und den Dimensionenriß führte, ein großes Loch in der Mitte des Bermuda-Dreiecks, das in etwa wie der Abfluß eines gigantischen Spülbeckens funktionieren sollte.
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