Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Licht einer Straßenlaterne wirkte sie mit dem Tuch auf dem Kopf wie ein Flugzeugmechaniker auf einer dieser stilisierten Fotografien aus den vierziger Jahren.
»Passen Sie gut auf sich auf, Krieger. Oder gehen Sie wieder zurück ans Bayou, wo Sie hingehören«, sagte sie. Dann war sie verschwunden.
Zurück in meiner Wohnung rief ich Minos an. Ich sagte ihm, daß das Geschäft glatt über die Bühne gegangen war.
»Wir waren nur eine knappe Meile weit weg. Haben Sie uns nicht gesehen?« sagte er.
»Nein.«
»Auf dem Rückweg haben Sie an einer Tankstelle haltgemacht. Sie hatten ein Mädchen bei sich.«
»Ihr Burschen seid ziemlich gut. Wissen Sie etwas über das Mädchen? Ihr Vorname ist Kim.«
»Nein. Was ist mit ihr?«
»Sie erscheint mir zu klug für ihren Umgang.«
»Wenn sie mit Tony C.s Typen rumhängt, ist sie das Betthäschen von einem von denen.«
»Den Eindruck machte sie nicht auf mich.«
»Für diese Kerle ist eine Braut wie die andere. Sie geben sich nicht mit ihnen ab, weil sie einen Hochschulabschluß haben.«
»Sie hat gesagt, Lionel und der Latino, der den Stoff geliefert hat, hätten jemand mit einer Klaviersaite umgebracht.«
»Ist mir nicht zu Ohren gekommen. Aber Lionel ist dafür allemal gut. Er war in Angola im Boxteam. Wie man sagt, hat er dort einige Burschen ziemlich demoliert.«
»Danke für die Information, Minos.«
»Einer von unseren Leuten wird den Stoff morgen früh gegen acht Uhr dreißig abholen. Er sieht wie der letzte Penner aus, aber er ist einer von uns.«
»Ich möchte das nicht gerade zu einem dauerhaften Job machen. Wir sollten den Einsatz jetzt gleich höhertreiben.«
»Es ist heute abend gut gelaufen. Seien Sie geduldig. Lassen Sie die Dinge ihren eigenen Lauf nehmen.«
»Diese Typen sind alles kleine Scheißer, die sich die eigene Ware reinziehen. Der Bote redete wie ein Zuhälter. Wenn wir mit denen Geschäfte machen, bringt uns das nicht weiter. Lassen Sie mich versuchen, einen Deal direkt an Cardo heranzutragen, etwas, wobei ihm der Mund wäßrig wird.«
»Beispielsweise?«
»Können Sie fünfhundert Riesen lockermachen?«
»Vielleicht. Aber selbst da kann es noch sein, daß Sie den Deal dann doch mit den kleinen Scheißern machen müssen.«
»Nein. Ich werde ihm etwas anbieten, das er nicht hat. Aber dazu brauche ich noch mehr Unterstützung von Ihnen. Bringen Sie Purcel mit ins Spiel.«
»Nein.«
»Er ist ein guter Mann.«
»Kommt nicht in Frage.«
»Minos, ich bin hier ganz auf mich allein gestellt. Ich will, daß mir jemand den Rücken deckt.«
»Was wollen Sie Cardo zusätzlich zu dem üblichen Geschäft anbieten?«
»Lassen Sie Purcel mitmischen, und wir können drüber reden.«
»Keine Verhandlungen in diesem Stadium der Aktion, Dave.«
»Oh doch.«
»Sie müssen erschöpft sein«, sagte er. »Ich glaube, Sie brauchen etwas Schlaf. Wir reden morgen weiter.«
»Daran ändert sich nichts. Entweder kriege ich Clete als Rückendeckung, oder wir blasen alles ab.«
»Gute Nacht«, sagte er. Seine Stimme klang müde. Ich gab keine Antwort, und er hängte auf.
Schlaf. Die natürlichste und unausweichlichste Phase des menschlichen Stoffwechsels – diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich in dieser Nacht im Dunkeln auf der Bettkante saß. Wir können unseren Sexualtrieb unterdrücken und noch Energie schöpfen aus den Stacheln unserer Libido, uns einen Schluck Wasser in der Wüste verwehren, selbst unter Folter kein Wort verraten und uns zu Tode fasten; doch dem Schlaf müssen wir schließlich doch nachgeben.
Aber wenn man Alkoholiker ist – oder ein Trinker auf dem Wege der Besserung, oder was manche Leute so unschuldig einen geheilten Alkoholiker nannten –, dann hat man diesen natürlichsten Zustand, in dem sich ein Mensch befinden kann, selten unter Kontrolle. Und es gibt auch keine Erklärung dafür, warum man eine Nacht tief und traumlos bis zum Morgen schläft und in der nächsten alleine und hellwach in einem Mondlichtkegel sitzt, die feuchten Hände auf die Schenkel gepreßt, der eigene Atem laut in der Brust. Genausowenig wie man erklären kann, warum einem an manchen Tagen das Glück an den Händen zu kleben scheint. Das schöne Wetter versetzt einen in Hochstimmung, man hat den Einlauf des Rennens wie ein Hellseher vorhergesehen; und am nächsten Morgen hat man dann einen trockenen Absturz, schlimmer als mancher Vollrausch, und der ganze Tag steht im Zeichen von monströsen Schatten, die man mit einer Mistgabel aus
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