Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zurück zum Haus, wo ich mich umzog. Ich schlüpfte in graue Hosen, ein schwarzes Hemd und band mir eine gestreifte Krawatte um. Wir luden zwei Golftaschen in den Lincoln, holten Kim Dollinger ab und fuhren zu dem vornehmen Clubhaus am See, die ganze Zeit eine weiße Cadillac-Stretch-Limo mit Tonys Schlägern im Schlepptau.
Unsere Gruppe nahm zwei Tische im Speiseraum in Anspruch. Ich wußte nicht, was mehr Aufmerksamkeit erregte: Mein bandagierter Kopf, Tonys Mietgangster, deren tote Augen und tonlose Stimmen die Kellner geschwind mit dem Kopf nicken ließen, oder die Art, wie Kim ihr graues Strickkleid ausfüllte. Aber jedesmal, wenn ich einen Happen von meinem Krabbencocktail nahm und auf der Seite meines Mundes zu kauen versuchte, die unverletzt war, sah ich die verstohlenen Blicke von den anderen Tischen, die Neugier, den schieren Nervenkitzel, sich in der Gesellschaft von Leuten zu befinden, die auf einen Schlag einem Film entstiegen zu sein schienen.
Tony mußte meine Gedanken gelesen haben.
»Jetzt passen Sie mal auf«, sagte er und winkte den Oberkellner zu sich. »Geben Sie allen an der Bar und im Speiseraum ein Glas Champagner auf meine Rechnung, Michel.«
»Das ist nicht nötig, Mr. Cardo.«
»Doch, das ist es.«
»Manche unserer Mitglieder trinken nicht, Mr. Cardo.«
»Dann bringen Sie ihnen einen Nachtisch. Schreiben Sie alles auf meine Rechnung.«
Tony wischte sich mit einer Serviette über den kleinen Mund. Der Oberkellner war ein hochgewachsener, bleicher Mann mit einem Gesichtsausdruck, als würde man ihn gleich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug werfen.
»Hey, wenn jemand nichts will, ist das auch okay«, sagte Tony. »Machen Sie nicht so ein Gesicht, Michel.«
»Sehr wohl, Sir.« Der Oberkellner versammelte seine Untergebenen um sich und schickte sie zur Bar, damit sie Tabletts voller Gläser und in Tücher gewickelte Champagnerflaschen holten.
»Das war aber nicht nett«, sagte Kim.
»Ich bin nicht hierhergekommen, um mich wie Ungeziefer behandeln zu lassen«, sagte Tony.
Wir beendeten unser Mahl und gingen nach draußen in die kühle Nachmittagssonne und den Wind vom See, der in den Palmen rauschte. Der See war schlammig-grün und bewegt, und die wenigen Segelboote draußen auf dem Wasser kreuzten hart gegen den Wind. Ihre Segel wölbten sich straff, klatschendes Wasser am glänzenden Bug. Tony und der Großteil seiner Entourage zwängten sich in Golfwägelchen, um neun Löcher zu spielen, und Kim und ich setzten uns auf eine Holzbank neben dem Übungsgrün, während Jess auf dem kurzgeschnittenen Gras lange Pütts in alle möglichen Richtungen schlug, ohne jemals einen Ball einzulochen.
Sie trug einen grauen Pillbox mit einem Netzschleier, den sie hochgeschlagen hatte. Sie sah mich nicht an und blickte statt dessen gedankenverloren auf den weitläufig angelegten Golfplatz, die Bunker und Grüns, die moosüberwucherten Eichen an den Abschlägen. Der Wind war so stark, daß ihr die Augen tränten, aber ihr Profil wirkte so kühl und königlich und gelassen wie das Modell eines Bildhauers. Das lange, ausladende Clubhaus hinter ihr, mit zahlreichen, von Glaskuppeln überdachten Sonnenterrassen, hob sich grellweiß vom blauen Himmel ab.
»Vielleicht sollten wir reingehen«, sagte ich.
»Danke, es geht schon.«
»Halten Sie es für schlau, einen Burschen wie Tony zu reizen?«
Sie legte die Beine übereinander und hob das Kinn.
»In seinem Kopf köchelt etwas vor sich hin. Ich würde seinen männlichen Stolz nicht herausfordern«, sagte ich.
»Seh ich irgendwie komisch aus? Ich wünschte, Sie würden aufhören, mich anzustarren.«
»Ich glaube, Sie haben ein schlechtes Gewissen, Kim.«
»Ach wirklich?«
»Haben Sie uns an die Polizei verraten?«
Sie beobachtete Jess bei seinen Puttversuchen auf dem Grün. Das rote Fähnchen, das das Loch markierte, flatterte weiter hinten über seinem Kopf. Schließlich trudelte der Ball ins Loch. Meine Augen wichen nicht von ihrem Gesicht. Sie zog das Kleid über dem Knie gerade. Ihre Hüften und ihr Bauch wirkten so glatt wie über Stein fließendes Wasser.
»Irgend jemand hat den Cops Bescheid gestoßen. Und es war weder Lionel noch Fontenot«, sagte ich.
»Meinen Sie, Tony würde mit mir essen gehen, wenn er mich für einen Spitzel hielte?«
»Ich meine, daß nur Tony weiß, was in Tonys Kopf vorgeht. Ich glaube, er lebt ganz gerne am Rand des Wahnsinns. Dieses schwarze Speed in sich hineinzufressen ist wie eine Rutschpartie auf einer
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