Flamingos im Schnee
aufziehen«, sagte sie.
Cam verabscheute die unterbelichteten Paare eigentlich, die in Disney World flitterten. Als wären sie zu unreif, um zu kapieren, dass sie wirklich wie Erwachsene verheiratet waren und nicht nur verheiratet spielten, Flitterwochen in den Spielzeugländern von Epcot spielten. Sie fragte sich immer, wie es mit ihnen weiterging, wenn sie nach Hause kamen und sich der harten Ehewirklichkeit stellen mussten, in der es ein gemeinsames Bankkonto gab, Entlassungen, Krankenversicherungen, Steuern und all die alltäglichen Ärgernisse wie, dass sie immer die Küchenschränke offen stehen ließ und er nicht im Traum daran dachte, mal das Klo zu putzen.
Für sie und Asher dagegen war es okay, die Hochzeitsohren zu tragen, weil sie ja wirklich spielten .
Überdies konnten sie damit die Warteschlangen überspringen.
»Wenn ihr beiden verheiratet seid«, sagte Perry, »wer bin ich dann?« Sie tupfte ein wenig Lipgloss auf die Lippen, um ihr umwerfendes Outfit zu betonen. Heute trug sie eines von Nanas kurzärmeligen Polyesterhemden als Kleid. Es hatte drei violette Diagonalstreifen, die sich von ihrer rechten Schulter bis zum linken Knie zogen. Nanas violetter Bademantelgürtel hielt es in der Taille zusammen, und es hing locker über eine Schulter herab.
»Meine uneheliche Tochter, eine Teenager-Schwangerschaft«, antwortete Cam. Perry sah aus wie eine verirrte Tänzerin aus einem Musikvideo der Achtzigerjahre. Fehlte nur noch das Stirnband und die Legwarmers.
»Aber klar!«, rief Perry, woraufhin sie ihre Fäuste aneinanderboxten.
»Cam?«, sagte plötzlich jemand hinter ihnen.
Cam fuhr herum und sah sich Alexa Stanton persönlich gegenüber, auf deren Rasen sie Darren, den Plastikflamingo, ursprünglich hatte abladen wollen. Nur dass sie als Cinderella kostümiert war. Sie hat ihre Traumrolle also bekommen , dachte Cam. Alexa und sie waren früher miteinander be freundet gewesen. Im Kindergarten hatten sie Der Zauberer von Oz zusammen gesehen und danach wochenlang fliegende Affen auf dem Spielplatz gespielt, um das ganze Trauma zu verarbeiten. In der zweiten Klasse wurde dann alles anders, weil jemand – vermutlich Alexas Mutter – Alexa verboten hatte, sich mit den Schaustellern abzugeben.
Sieh mal an, wer nun schaustellerte. Alexarella trug ein hellblaues Ballkleid und eine gelbhaarige Perücke, die über ihren Ohren angeklatscht war.
Sie fasste Cam am Ellbogen und zog sie hinter einen Ständer mit Sombreros. »Cam, bist du etwa mit dem da verheiratet?«, zischte sie aus dem Mundwinkel heraus.
»Warum ist das so schwer zu glauben?«, zischte Cam zurück.
»Nur so«, flüsterte Alexa.
»Also, war nett, mal wieder mit dir zu plaudern, Cinderella. Grüß den Prinzen schön von mir«, sagte Cam.
Alexa nahm sich zusammen, räusperte sich und sagte in bester Cinderella-Manier: »Ich werde dem Prinzen Eure Grüße ausrichten.« Damit hob sie ihre Röcke an und schwebte davon zum chinesischen Pavillon.
Während Asher sich mit Grey ein Speedwayrennen lieferte, machten Cam und Perry all das, was sie schon als Kinder gern getan hatten, wenn ihre Eltern auftraten und der Park ihnen gehörte: Space Mountain, die Countrymusik spielenden Bären, Piraten der Karibik. Sie kauften sich jede eine Schokomilch in der Eisbar an der Main Street und machten sich dann auf den Weg zum Spukhaus.
Die beiden Schwestern setzten sich auf die Steinmauer vor dem alten Gruselhaus und warteten. Der Rest der Gruppe sollte sich um neun hier mit ihnen treffen, damit sie ihnen zeigen konnten, wie man an dem schmiedeeisernen Gitterwerk der Villa emporkletterte und sich das Feuerwerk von einem geheimen Posten auf dem Dach aus ansah.
»Also, vielleicht solltest du mir den einen oder anderen schwesterlichen Rat geben, bevor die Schule wieder anfängt«, sagte Perry auf einmal. Ihr Gesicht war erhitzt, weil sie den ganzen brühheißen Tag in diesem »Kleid« aus Polyester gesteckt hatte, das nun ein neues Fleckenmuster aus Schokoladensirup und Ketchup hatte.
»Äh, okay.«
»Du hast mir noch nie einen Ratschlag erteilt.« Perry rührte zwischen winzigen schnellen Schlucken wie wild in ihrer Schokomilch. Sie achtete stets darauf, dass ihr Getränk länger hielt als das Cams, damit sie ihr eine lange Nase drehen konnte.
»Du schienst mir nie einen zu brauchen«, sagte Cam. »Das ist das Gute daran, die Jüngere zu sein, man ist entspannter und cooler und weiß genau, wie man bekommt, was man will.«
»Das stimmt, aber du
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