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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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daran, süchtig nach Promise zu werden und demselben verrückten Klammergriff zu erliegen, mit dem der Ort Asher festhielt.
    Trotzdem verstand sie die Sichtweise ihrer Mutter. Sie kannte die ganze Geschichte. »Meine Hauptaufgabe ist es, dich am Leben zu erhalten«, hatte Alicia mal gesagt. »Das ist meine oberste Verantwortung als deine Mutter.« Von klein auf hatte sie Cam gerettet, hatte sie vor dem plötzlichen Kindstod bewahrt, vor diversen Erstickungsgefahren, vorm Ertrinken in der Badewanne, davor, sich mit der Jalousienschnur zu erwürgen, sich am Wasser aus dem Kessel zu verbrühen, von einem Auto überfahren zu werden, Waschmittel zu trinken, aus dem Fenster zu fallen, entführt zu werden und einen Kopfsprung in flaches Wasser zu machen. Irgendwann dachte sie, sie hätte es geschafft. Das Einzige, was noch auf ihrem Gefahrenradar erschien, war ein Autounfall in trunkenem Zustand auf dem Nachhauseweg vom Schulball. Sie rechnete nicht damit, von dieser gemeinen Krankheit überrumpelt zu werden, gegen die sie machtlos war. Das war sehr schwer für Alicia, Cam wusste das. Aber sie würde ihren Plan trotzdem verwirklichen. Sie wollte Lilys letzten Wunsch ehren und Asher zeigen, woher sie kam.
    Oben richtete sie einen Salon für Hennatattoos ein, weil sie Asher mit einem samoanischen Tattoo bemalen wollte.
    »Heute Abend geht’s los«, teilte sie ihm mit.
    »Da ist noch das Problem mit dem Flieger«, erwiderte er.
    Am liebsten hätte sie ihn gefragt: »Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass du nach deinen Eltern ebenfalls bei einem Flugzeugunglück umkommst? Sie tendiert statistisch gesehen gegen null.« Aber sie wusste, dass vernünftiges Argumentieren keinen Zweck hatte. Erstens war seine Angst irrational, und zweitens fiel Logik per se in Promise nicht immer auf fruchtbaren Boden. »Deshalb sind wir ja hier«, sagte sie und zeigte auf die Tätowierungswerkzeuge. »Ich werde dich mit einem Schutz versehen.«
    Die Farbe und den Pinsel hatte sie in dem Geschenkartikelladen in der Stadt gefunden, und sie zeigte ihm nun ein paar der Ornamente, unter denen er wählen konnte. Die meisten waren komplizierte, diagonal angeordnete Muster aus Geraden und Kreisen mit großen schwarzen Flächen darin, die eine Probe für die Tapferkeit des Tätowierten darstellten, weil sie am schwersten zu ertragen waren.
    »Ich stelle ja wohl kaum meine Tapferkeit unter Beweis, wenn du einen Pinsel statt eines Haizahns benutzt«, be merkte Asher.
    »Die Bemalung ist symbolisch, eine Metapher, sie wird dir Kraft geben.«
    »Das ist keine Metapher, das ist bloß ein Abklatsch.«
    »Tja, dann mach dich mal auf noch mehr Abklatsch gefasst, Slasher. Wir fahren nach Disney World.«
    Cam spielte samoanische Trommelmusik und fing an, seinen Körper zu bemalen. »Versuch, vollkommen reglos und ruhig zu sein«, empfahl sie. »Das hilft dir, dich in einen Trancezustand für den Flug zu versetzen.«
    Sie begann mit einem bogenförmigen Muster um seinen Brustmuskel und arbeitete sich dann über die Schulter zum Bizeps vor. Die Konturen seines Körpers erwiesen sich als eine ebenso anregende wie ablenkende Leinwand.
    »Halt still«, ermahnte sie ihn.
    »Das kitzelt, Campbell.« Er zog sie an sich, um sie zu küssen. »Hey, was ist das hier?«, fragte er und zeigte auf einen kleinen, kreisrunden blauen Fleck auf ihrem Unterarm.
    »Ach nichts«, antwortete sie. »Da habe ich mich wahr scheinlich irgendwo am Boot gestoßen. Halt jetzt still.« Sie malte und malte, bis das Trommeln aus ihrem iPod verstummte. Sie würde sich im Moment keine Gedanken wegen eines Blaubeerflecks machen. Die Flecken waren schon einmal verschwunden und würden vermutlich wieder verschwinden.

N EUNUNDZWANZIG
    Blieb noch das Problem Perry. Sie wollten sich in der Nacht davonschleichen, aber Cam wusste nicht, ob sie Perry mitnehmen sollte. Alle anderen von der Reisegesellschaft waren älter – sie hatte Sunny, Royal, Autumn und Grey eingeladen – und konnten sich als schlechter Einfluss erweisen. Andererseits würde sie gern ein bisschen Zeit mit Perry zusammen zuhause verbringen, zumal Perry, der es anfangs in Maine so gut gefallen hatte, ernsthafte Anzeichen von Heimweh zu zeigen begann. Neuerdings schlich sie manchmal trübsinnig herum und saß häufiger als sonst vor dem Fernseher. Sie hatte sogar Nana gebeten, mit ihr im selben Zimmer zu schlafen.
    Letztendlich beschloss Cam, sie mitzunehmen. Nur durften sie es ihr vorher nicht sagen, weil sie kein Geheimnis für sich

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