Flamme der Leidenschaft - Roman
Terrain zu übernehmen, was ihr Recht gewesen wäre, verschwand sie mit ihren Freunden und überließ das Viertel diesem Emporkömmling Danny. Er verdankte ihr seine Position. Auf diese Weise entstanden all die Rinnsteinlegenden.
Vor dem Eingang der Kneipe blieb sie mit einer Hand auf der Klinke stehen. Durch die dicke Eichentür drang schallendes Gelächter. Zu spät, um kehrtzumachen. Nach einem tiefen Atemzug öffnete sie die Tür. In der Schankstube war es kaum heller als im Hof. Ein schwaches Feuer glühte im Kamin, Rauchwolken bildeten schmutzige Wirbel an der Decke. Ein paar Männer schauten auf und musterten Maggie, eine Frau, die über den Knien von zwei Gästen lag, warf ihr einen warnenden Blick zu.
Aber Maggie achtete nicht darauf sondern ging weiter. Eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter, und sie erstarrte. Neben der Tür, dachte sie. Ein Mann hatte neben der Tür gestanden.
»Maggie von der King Street«, lallte eine tiefe, heisere Stimme.
»Ja«, bestätigte sie, obwohl es keine Frage gewesen war.
»Danny erwartet dich.«
»Das weiß ich«, sagte sie klar und deutlich.
»Komm mit mir.« Die Hand stieß sie vorwärts, sie wehrte
sich nicht. Während sie den Schankraum durchquerten, erregten sie nur geringe Aufmerksamkeit. Der Mann dirigierte Maggie zur Treppe. Auf der ersten Stufe hielt sie abrupt inne. Erstaunt über den unerwarteten Widerstand, blieb auch der Mann stehen.
»Ich kann mit meinen eigenen Füßen gehen.« Nur eine kleine Herausforderung, eine ungefährliche. Zumindest glaubte sie das. Wie sie schon vor langer Zeit herausgefunden hatte, musste man in gewissen Situationen so tun, als hätte man die Wahl. Dann nahmen das auch andere Leute an. Und wenn man eine Chance hatte, bekam man vielleicht noch eine oder sogar eine dritte …
Sekundenlang schlossen sich die Finger fester um ihre Schulter. Dann schien sich der Mann eines Besseren zu besinnen, grunzte und ließ sie los.
Maggie stieg die Treppe hinauf. Im ersten Stock griff der Mann wieder nach ihrer Schulter und schob sie in den Korridor. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, tastete er ihren Körper ab, die Arme, den Rücken, die Hüften, die Beine. Dann drehte er sie zu sich herum.
»Lass das, du dreckiger Bastard!«, fauchte sie und schlug auf seine Hand.
Ungerührt befingerte er ihre Vorderseite. »Mr O’Sullivan mag keine Überraschungen«, erklärte er stoisch.
»Unter meinem Kleid verstecke ich kein Schießeisen, falls du das vermutest«, zischte sie und riss sich los. Jetzt war sie froh, dass sie die Pistole vergessen hatte.
»Schon gut.« Der Mann grunzte wieder und zeigte auf eine Tür. »Da drinnen wartet Mr O’Sullivan.«
Nach einem letzten geringschätzigen Blick in seine Richtung wandte sie sich ab. Wenn sie diese Tür öffnete, würde sie Danny gehören.
Verdammt, warum machte sie sich was vor? Ob sie diese Tür aufstieß oder nicht, spielte keine Rolle, denn sie gehörte ihm, seit er seine Schläger auf Nan gehetzt hatte. Den Kopf hoch erhoben, betrat sie das Zimmer.
Licht. Aus allen Ecken, von allen Wänden kam ihr grelles Licht entgegen. Halb geblendet, kniff sie die Augen zusammen. Gaslampen flackerten, und auf dem Tisch in der Mitte brannten mehrere Petroleumlampen. So viel Licht im Heiligen Land? Ungläubig blinzelte sie. Wie viel Geld mochte Danny besitzen? Es dauerte eine Weile, bis sie die Gestalt entdeckte, die zwischen den Tischlampen und den Fenstervorhängen an der hinteren Wand aufragte. Wie üblich funkelte sein intaktes blaues Auge, Makassar-Öl glänzte auf seinem glatten blonden Haar, der Schnurrbart des eitlen Gecken war perfekt gestutzt. Danny.
Wenn sie sich auf ihn stürzte, würde sie ihn nur sekundenlang aus dem Gleichgewicht bringen und erzürnen oder, noch schlimmer, amüsieren.
Also blieb sie stehen.
»Ah, Maggie, mein liebes Mädchen!« Einladend breitete er die Arme aus.
»Hallo, Danny«, sagte sie und rührte sich nicht vom Fleck. »Welche Probleme Sie auch immer haben, die haben Sie nur mit mir . Lassen Sie meine Freunde in Ruhe.«
Bedauernd ließ er die Arme sinken. »Aber ich will gar keine Probleme mit dir haben, Maggie.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, starrte sie ihn an. Mühelos rollte der starke irische Akzent von seiner Zunge - zu mühelos, denn Maggie kannte keinen echten Iren, der seine Herkunft so auffällig betonte. Wer ist er wirklich?, fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Was war er gewesen, bevor er sich vor sechs Jahren in London niedergelassen
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