Flammen des Himmels
schließlich in einen anhaltenden Landregen überging, als Zeichen des Himmels, welches seine Herrschaft bestätigte. Als die Bischöflichen schließlich aufgaben, den Wall weiter voranzutreiben, tanzten seine Anhänger vor Freude auf den Straßen. Selbst Silke, Helm und Faustus vergaßen ihre Vorbehalte gegen den König von Neu-Jerusalem und feierten mit den anderen mit.
Auch Frauke und Lothar gaben vor, sich zu freuen, dabei hatten sie begriffen, dass der Kampf längst nicht zu Ende war und das Schlimmste noch vor ihnen lag.
»Wie wird es jetzt weitergehen?«, fragte Frauke, als sie und Lothar endlich einmal allein waren.
»Wenn ich das wüsste, wäre ich der klügste Mensch auf Erden. Ich vermute, der Bischof wird den Belagerungsring noch enger ziehen, um uns die Luft abzuschnüren. Du hast selbst gesehen, dass das meiste Vieh in der Stadt bereits geschlachtet worden ist, weil die Kühe und Ziegen nicht mehr auf die Weiden vor den Festungsanlagen gebracht werden können. Daher haben wir für die nächsten zwei, drei Wochen genug Fleisch für die Bewohner, doch Korn und andere Feldfrüchte werden bereits knapp. Wenn die Belagerung über den Winter anhält, wird der Hunger wie ein düsteres Gespenst durch die Gassen schleichen und an jede Tür pochen.«
»Auch an die des Königs und seiner Freunde?«, fragte Frauke in verächtlichem Ton.
»Vielleicht sogar an deren Türen!« Lothar zog sie an sich und hielt sie für einige Augenblicke fest. Mehr durften sie nicht wagen, solange Fraukes Mutter in ihrem Anbau lebte, zumal jeden Augenblick Helm, Faustus oder ein anderer hereinkommen konnte.
»Was können wir tun?«, fragte Frauke weiter.
Lothar zuckte hilflos mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Fast würde ich sagen, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu beten.«
»Bei Gott, was seid ihr Männer nur für armselige Wesen! Es fehlt euch vollkommen am gesunden Hausverstand. Wenn eine Hungersnot auf uns zukommt, müssen wir uns darauf vorbereiten. Hast du nicht Vorräte unter dem Boden der Hütte vergraben?«
Es dauerte einen Augenblick, bis Lothar sich daran erinnerte. »Ja, aber ob die noch gut sind?«
»Das werden wir sehen. Auf jeden Fall müssen wir, solange wir noch ausreichend zu essen haben, einen Teil davon abzwacken und verstecken, damit wir die schlimmste Zeit durchstehen können.«
Frauke hatte wenig Ahnung von kriegerischen Aktionen. Doch das Problem der Versorgung mit Lebensmitteln war die Sache der Frauen. Rasch erklärte sie Lothar, was sie tun sollten. Ihre Vorschläge reichten bis hin zum Diebstahl aus den Vorräten Bockelsons und seiner Vertrauten. Da sie immer wieder zu Arbeiten in deren Häuser geholt wurden, hielt sie es für möglich, die eine oder andere haltbare Wurst oder etwas Brot in einer versteckten Tasche herauszuschmuggeln.
Lothar fand den Plan seiner Geliebten tollkühn und äußerte mehrfach Bedenken. Aber ein Blick aus ihren strahlend blauen Augen ließ ihn jedes Mal wieder verstummen. Immerhin ging es darum, die Belagerung zu überstehen, und das würde, wie Lothar befürchtete, vielen Menschen nicht gelingen.
Kaum hatten sie den Beschluss gefasst, Lebensmittel zu verstecken, ging Frauke daran, ihn umzusetzen. Als Erstes kontrollierte sie die Vorräte, die Lothar vor ein paar Monaten in dem kleinen Keller der Hütte vergraben hatte. Da sie nicht wollten, dass Helm und Faustus erfuhren, wie viel sie besaßen, tat sie es nur, wenn diese auf der Mauer Wache halten mussten. Zusammen mit Lothar sammelte sie weitere Lebensmittel und versuchte, sie zu konservieren. Zwar wurden ihnen Fleisch und Würste nur noch selten und in geringer Menge zugewiesen. Dennoch räucherten sie einen Teil davon und vergruben diesen in Gefäßen aus Steinzeug in ihrem Kellerloch. Sie legten sich auch Vorräte an Gerste, Hafer, Erbsen und Linsen an, die sie ebenfalls versteckten.
Lothar stellte fest, dass er von seiner Geliebten einiges lernen konnte, und half ihr voller Eifer. Während draußen die Truppen des Bischofs ihre Feldlager ausbauten und statt der zugigen Zelte feste Blockhütten für die Landsknechte errichteten, bereiteten Frauke und Lothar sich auf eine lange Belagerung vor.
Den beiden kam zugute, dass die Stimmung in der Stadt nach dem zweiten gescheiterten Angriff des Feindes noch immer euphorisch war. Alle Wiedertäufer und auch viele derer, die geblieben waren, um ihren Besitz zu schützen, glaubten Bockelsons Prophezeiungen, die Kräfte des Himmels stünden auf ihrer Seite und
Weitere Kostenlose Bücher