Flammenbraut
eine Notiz über die »mögliche Verunreinigung durch den Prüfer« hinzufügen und hoffen, dass niemals jemand so tief in den Fall einsteigen würde, um es zu bemerken. Oder sie könnte es jemandem sagen. Das würde im besten Fall einen Rüffel von Leo nach sich ziehen und im schlimmsten Fall Disziplinarmaßnahmen, die er wahrscheinlich extra erfinden würde und die alles umfassen konnten von diversen Auffrischungskursen bis hin zur Suspendierung. Doch solange Rachael auf dem College war, konnte Theresa sich keine Lohneinbußen leisten.
Egal. Sie musste ihren Vorgesetzten informieren, je eher, desto besser. Ein Vergehen zu vertuschen stellte sich in der Strafverfolgung immer als viel verheerender heraus als der eigentliche Verstoß.
Theresa holte ihre Tasche, verschloss das Labor und fuhr zum Tatort.
40
Samstag, 11. September
»Ich verstehe das nicht«, sagte Angela Sanchez zu ihrem Partner, als sie wieder einmal die Stufen zu den Riverview Towers hinaufstiegen. Als ob sie seine Gedanken bei ihrem letzten Besuch hier gelesen hätte, ließ sie ihm den Vortritt, sodass er ihren Hüftschwung nicht beobachten konnte, was das Ganze für Frank weniger interessant machte. Auf der anderen Seite betrachtete sie vielleicht seinen Hintern, und der Gedanke brachte ihn durch die letzten zwei Biegungen. Nach einer Nacht ohne Schlaf hatte er einen Kick bitter nötig.
Sanchez fuhr fort: »Glaubst du wirklich, dass Kim Hammond James Millers Notizbücher hatte?«
»Ja.« Die knappe Antwort konnte wenigstens über seine Kurzatmigkeit hinwegtäuschen. Theresa hatte recht, er sollte mit dem Rauchen aufhören.
»Wie?«
Sie kamen an ihrem Ziel an, und Frank klopfte an die Wohnungstür. »Deshalb sind wir hier. Mrs. Hammond?«
Er hatte vorher angerufen, um sich zu vergewissern, dass sie daheim sein würde, und sie öffnete auch prompt die Tür. Nichts hatte sich seit ihrem letzten Besuch verändert, abgesehen von der Kleidung der Frau. Die trüben Fenster, der Geruch nach abgestandenem Kaffee, Kims Besitztümer in den zwei Kartons unter dem Futon. Frank seufzte bei ihrem Anblick erleichtert, er hatte befürchtet, Mrs. Hammond hätte sie vielleicht weggeworfen. Sie wirkte nicht besonders sentimental auf ihn. Trauernd, aber nicht sentimental.
»Wir müssen uns noch einmal Kims Sachen ansehen«, erklärte er der Frau und kniete auf dem Boden nieder, wobei er Flöhe und was sonst noch in den Teppichfasern leben mochte riskierte.
»Wissen Sie mittlerweile, wer sie getötet hat?«
»Noch nicht.«
Mrs. Hammond setzte sich auf das Sofa. »Aber Sie arbeiten noch daran.«
»Deshalb sind wir hier.«
»Gut«, erwiderte Kims Mutter.
Frank fand das Notizbuch genau so, wie er es zurückgelassen hatte, neben dem Adlerabzeichen an dem ausgeblichenen Band. Neugierig hielt er das Abzeichen in die Höhe. »Was ist das?«
»Das gehörte Kims Vater.«
»Und er ging, als sie in der Mittelstufe war?«
»Nein, das war ihr Stiefvater.«
Aha, dachte Frank. Deshalb hatte Dr. Johnson solche Schwierigkeiten, eine Geburtsurkunde zu bekommen – weil Kims Geburtsname nicht Hammond gewesen war. »Mr. Hammond war ihr Stiefvater?«
Die Frau nickte beiläufig. »Als Eladio und ich geheiratet haben, hat er sie adoptiert, da war sie zehn. Ich hatte große Hoffnungen. Wir beide, Kim und ich, hatten die. Aber ein paar Jahre später ist er abgehauen, genau wie mein erster Mann. Ich habe wirklich ein gutes Händchen für Kerle.«
»Und der Name Ihres ersten Mannes?«
»John Miller.«
Auch wenn er es irgendwie erwartet hatte, war Frank von dieser Antwort wie elektrisiert. Das hier war der große Wendepunkt in dem Fall, hier fügten sich die Puzzleteile ineinander. »Und wie hieß der Vater von John Miller?«
Mrs. Hammond rieb sich die Augen. »Äh … auch etwas mit J. Jake … nein, James. Jim.«
»James Miller.«
»Ja, das war dann wohl Kims Großvater. Die Auszeichnung gehörte ihm. Er war im Ersten Weltkrieg.«
»Bei den Marines? Es handelt sich um ein Distinguished Service Cross.«
»Wahrscheinlich.« Sie blickte ihn endlich an. »Warum?«
»Gehörte dieses Notizbuch auch James Miller?«
»Ja. Keine Ahnung, warum Johnny es aufgehoben hat. Oder warum ich es Kim gegeben habe und warum sie es aufbewahrt hat. Tja, wenn man sonst nichts hat …«
Sie stand auf und ging zur Küchenzeile, wo sie sich einen recht stark riechenden Kaffee ohne Milch und Zucker eingoss.
»Haben Sie Ihren Schwiegervater mal kennengelernt?«, fragte Sanchez.
Die Frau
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