Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
Vom Netzwerk:
Beweismittel an die Identifizierungseinheit für eine wissenschaftliche Analyse weitergegeben. Dann fuhren sie höchstpersönlich fünfzehn mögliche Verwandte des namenlosen Mannes ins Leichenschauhaus, um ihnen den Enthaupteten zu zeigen. Die Angestellten legten ein Tuch über die Halswunde, doch für James war das abrupte Abfallen des Tuches an der Stelle, an der eigentlich der Körper hätte sein sollen, schlimmer; die Situation wurde nur noch bizarrer, indem man versuchte, den Schrecken vorzeigbar zu machen. Sie brachten nur Männer hierher, auch wenn es Mütter oder Ehefrauen gab, die den Vermissten vermutlich leichter erkannt hätten. Das Leichenschauhaus war eben kein Ort für Frauen.
    Einige der Männer waren sofort in Ohnmacht gefallen, und alle behaupteten, dass dieses … Ding nicht ihrem vermissten Verwandten oder Freund oder Nachbarn ähnelte. Dass die Leichen nicht nur unbekleidet, sondern auch noch ihrer Genitalien beraubt waren, machte die Sache nicht gerade besser – jeder Erwachsene in der Stadt war überzeugt, dass der Mörder hochgradig pervers sein musste, und was hätte ihr Freund oder Verwandter oder Nachbar mit so jemandem wohl zu schaffen gehabt? James befürchtete, dass jemand den Toten vielleicht sogar erkannte, es aber nicht zugeben wollte.
    Die Polizei überprüfte gerade den Hintergrund des ersten Opfers – den man als den Kleinkriminellen Edward Andrassy identifiziert hatte – und seine Familie, Freunde, Gewohnheiten, doch jeder Hinweis führte ins Leere.
    James hielt sich über die Ermittlungen auf dem Laufenden, nervte die damit betrauten Detectives mit Fragen und schnappte sorgfältig jeden Revierklatsch auf, doch er wusste, dass die Chancen auf Klärung des Falles mit jedem verstreichenden Tag geringer wurden. Er und Walter hatten genügend Einbrüche, Belästigungen und Anzeigen wegen häuslicher Zwischenfälle zu bearbeiten; daheim hatte Helen ihren Wunsch nach einem neuen Geschirr immer noch nicht aufgegeben, und der kleine John war erkältet. James tröstete sich mit dem Gedanken, dass der Mörder vermutlich ein Hobo gewesen war, der die Stadt wohlweislich in einem Güterzug verlassen hatte, noch während die Leichen auf dem Hügel nicht ganz erkaltet waren. So lag er nachts wenigstens nicht wach, trotz der außergewöhnlichen Brutalität der Morde. Jeder Polizist wusste, dass es immer Fälle gab, die ungelöst blieben, und entweder akzeptierte man das, oder man suchte sich einen anderen Beruf. James war nicht einmal der Hauptermittler in dem Fall, sondern lediglich ein Anfänger, der sich nicht bestechen ließ und der demnach auch nicht vertrauenswürdig war.
    Weshalb er die zwei Opfer den Engeln überließ und sich durch den normalen Alltag kämpfte. Er hätte nie erwartet, dass es weitere Leichen geben könnte.
    James hatte den Sonntag frei, der frisch und sehr kalt heraufdämmerte. Frost bedeckte die Fenster, und Helen zog nicht einmal in Erwägung, in den Gottesdienst zu gehen und das Baby der eisigen Winterluft auszusetzen. James hatte den Großteil der Nacht auf seiner Bettseite wach gelegen, auf die Wiege geblickt und auf jeden Atemzug seines Sohnes gelauscht. Die Erkältung – die schlimmer war als ein bloßer Schnupfen – war nicht gefährlich für den Kleinen, doch er machte sich dennoch Sorgen. Außerdem ermöglichte die Konzentration auf das Baby es Helen und James, eine Weile nicht übereinander nachzudenken.
    Um zwölf Uhr mittags saß er am Küchentisch und aß einen Teller dünner, aber heißer Suppe, als es an der Tür klopfte. James öffnete, und sein Partner Walter begann sofort zu sprechen. »Wir haben noch eine, Jimmy, mein Junge, und man hat mir gesagt, dass die zwei Kerle auf dem Hügel dagegen wie ein Schulpicknick aussehen. Es muss abscheulich sein – guten Tag, Helen. Wie geht es dem kleinen Johnny?«
    James fühlte, wie die Suppe in seinem Magen zu Eis gerann. »Du meinst, noch eine Leiche wie …«
    »Aber es ist Sonntag, und du hast nicht einmal Dienst«, protestierte Helen. »Du kannst doch am Sonntag nicht arbeiten müssen.«
    Walter verzog wie sie das Gesicht. »Ich schätze, wir Cops schlafen nie wie diese Pinkertons. Aber wir haben keine Wahl – jeder Polizist in der Stadt wird an diesem Fall arbeiten.«
    James holte Mantel und Schal, während seine Frau erneut protestierte: »Aber es ist Sonntag. Ich dachte, wir könnten heute Abend ausgehen, John bei Mrs. Tsolt unten lassen und …«
    Die Wintermonate waren hart für sie,

Weitere Kostenlose Bücher