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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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überlegte Teddy, ob Buchhalter wirklich ein so langweiliger Beruf war, wie es klang. Da seine profunde Unkenntnis in Sachen Auflösung und Blenden eine Bewerbung als Fotograf der Models von Victoria’s Secret verhinderte, wäre das Addieren von Zahlen vielleicht gar nicht mal so schlecht. Und die Arbeitszeiten waren immerhin geregelt.
    So dachte er nur, wenn sich ein Teil seiner Arbeit als Polizist als langweilig herausstellte, so wie heute Nacht. Teddy Morgan fuhr im Kreis. Die East Twenty-second zur Orange Avenue hinunter, auf die Innenstadt zu, um dort auf die I-90 abzubiegen, von dieser sofort auf die Central abzufahren, dann eine kleinere Runde zur Eighteenth an den Tri-C-College-Gebäuden vorbei auf die Carnegie Street, dann zurück über die East Twenty-second, um die Kreisfahrt von vorn zu beginnen. Er solle Ausschau halten nach, war es zu glauben, einem unbekannten Mann, der wer weiß wie verpackte Teile einer unbekannten Frau irgendwo ablegte. Teile.
    Teddy hatte diese Anweisungen vom diensthabenden Sergeant beim Anwesenheitsappell erhalten. Sechs Jahre, und immer noch fuhr er Nachtschichten, wie er jedem knurrend erklärte, der ihm zuhörte, doch ehrlich gesagt mochte er die Nachtschichten. Je weniger er und seine Frau sich sahen, desto besser kamen sie miteinander aus. »Wer wurde ermordet?«, hatte Teddy gefragt.
    »Keine Ahnung.«
    »Sie wurde noch nicht identifiziert?«
    »Sie wurde noch nicht gefunden und noch nicht einmal als vermisst gemeldet. Und soweit wir wissen, wurde sie auch noch nicht ermordet.« Derselbe Verrückte, der die zwei Typen in der Nähe des Bahnhofs East Fifty-fifth geköpft hatte und der beinahe von dem Mädel aus der Gerichtsmedizin erwischt worden wäre (was war das eigentlich für eine Geschichte?), ahmte offenbar Morde aus den Dreißigerjahren nach. Damals war die nächste Tote eine Frau gewesen, die man zerstückelt und in Zeitungspapier und Sackleinen eingewickelt an den zwei Orten abgelegt hatte, für die Teddy jetzt eingeteilt war. Das Problem war nur, dass damals weder die I-90 noch die I-77 existiert hatten. Die Umgebung hatte sich fundamental verändert seit der damaligen Zeit, und es war unmöglich zu sagen, wie das die Pläne des Mörders von heute beeinflussen würde.
    »Und er wird diese Frau, von der wir noch nicht einmal wissen, ob sie tot ist, heute Nacht ablegen?«, hatte Teddy gefragt.
    »Vielleicht heute Nacht«, hatte der Sergeant erwidert. »Vielleicht auch morgen Nacht oder nächste Woche oder nächsten Monat. Der ursprüngliche Mord, also der Mord von damals, ereignete sich vier Monate später im Januar, also wer weiß. Deshalb können wir nicht so viele Männer für eine flächendeckende Observierung entbehren. Wir sind sowieso schon zu wenige, mit den ganzen Übernahmen und dem Einstellungsstopp.«
    Teddy war die finanzielle Situation der Stadt egal. Er sah nur die Zwölf-Stunden-Schicht voll absoluter Langeweile, die vor ihm lag. »Aber wenn dieser Typ eine Leiche ablegen will, wird er da beim Anblick eines Streifenwagens nicht denken, hoppla, vielleicht ist das keine so gute Idee ?«
    »Gut. Dann kann er sie in einem der Vororte abladen. Wir können im Moment kein Zivilfahrzeug entbehren. Eines ist in der Werkstatt, und die anderen kümmern sich um das Drogenkartell an der Hundred-tenth. Und der Chief genehmigt keine Überstunden für einen Detective.«
    Teddy setzte sein letztes Argument ein. »Warum ich?«
    »Weil du diese Adleraugen hast«, antwortete ein anderer Cop mit einem Grinsen.
    »Sieh es so«, sagte wieder ein anderer. »Dann hast du eine Entschuldigung, dass du niemanden festnehmen musst.«
    »Warum denn nicht Sie?«, hatte der Sergeant erwidert.
    Darauf hatte Teddy keine Antwort gehabt, weswegen er stumm dem restlichen Appell gelauscht und wie jeder andere seine Taser überprüft hatte, bis der Raum von dem surrenden, schnappenden Geräusch widerhallte. Dann war er zu seinem Wagen gegangen. Zerstückelt und in Zeitungspapier und Sackleinen gewickelt. Was war das überhaupt, verdammt noch mal?
    Wenigstens waren die Bereiche, die er überwachen sollte, gut einsehbar, mit vielen Grünstreifen in einem Labyrinth aus breiten Straßen. Jeder Idiot, der Leichenteile herumschleppte, würde so unübersehbar sein wie ein Hochsilo in einem Maisfeld.
    Also fuhr er und fuhr er und fuhr er, am Postamt vorbei, dem Krankenhaus, dem Universitätsgebäude, ihm wurde buchstäblich schwindelig vom dauernden Im-Kreis-Fahren, und er fragte sich, wie lange

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