Flammenbrut
langsam und gemächlich weiter, bis er nach und nach zum Stillstand kam. Einen
Augenblick herrschte absolutes Schweigen im Restaurant. Dann sprang Kate auf und kniete schon neben Alex, und plötzlich schienen
von überall her weißgekleidete Kellner zusammenzulaufen.
Alex ließ sich von ihr aufrichten. Sein Mund blutete. Zerbrochene Teller knirschten unter ihm.
«Ist alles in Ordnung mit dir?», fragte sie. Er nickte und hob benommen eine Hand an den Mund. Dann blinzelte er, sah das
Blut an seinen Fingern und starrte wütend zu Paul auf. Kate spürte, wie seine Muskeln sich anspannten.
«Nicht, Alex! Bitte!»
Sie hielt ihn an den Schultern fest. Ein Teil der Anspannung fiel von ihm ab, dann streckten sich ihm auch schon andere Hände
entgegen, um ihm auf die Beine zu helfen.
Paul war von Kellnern umringt. Es schien ihn selbst zu überraschen, was er getan hatte, und er ließ sich nun widerspruchslos
auf den Ausgang zu drängen. Das Mädchen, das die ganze Zeit über nichts gesagt hatte, trottete auf ihren hohen Absätzen hinter
ihm her. Kate bemerkte, dass Alex ihm mit einem Ausdruck in den Augen nachstarrte, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Dann
wurde Paul grob aus |201| dem Raum geschoben und die Türen hinter ihm geschlossen, sodass er nicht mehr zu sehen war.
Ein Kellner bürstete die schlimmsten Trümmer von Alex’ Kleidern, während ein anderer vorsichtig die Ansammlung kleiner blauer
Flammen austrat, die sich um die Spiritusbrenner herum gebildet hatte. Mit einigen schnellen Griffen wurde der Tisch wieder
hingestellt, und Kate und Alex fanden sich höflich zur Tür geleitet, während die Kellner das Chaos zu beheben versuchten.
Einige Leute starrten ihnen offen hinterher, andere hielten demonstrativ den Blick abgewandt.
Von Paul und dem Mädchen war im Foyer nichts mehr zu sehen. Der Oberkellner bat Alex mit übertriebenem Eifer, Platz zu nehmen,
und ließ heiße Tücher bringen, um ihn zu säubern. Alex hielt sich wortlos eine Serviette an den Mund. Als Kate ihn noch einmal
fragte, ob er in Ordnung sei, nickte er, vermied es aber, sie anzusehen.
Der Oberkellner bestellte ihnen ein Taxi und lehnte Kates Angebot, für das Essen und den Schaden aufzukommen, lächelnd ab.
Er war höflich, machte aber keinen Hehl daraus, dass er sie aus dem Restaurant haben wollte. Als die Tür aufschwang, warf
Kate noch einen letzten Blick in den Saal. Ihr Tisch war bereits wieder eingedeckt und mit einem frischen weißen Tischtuch
versehen; zwei Kerzen verströmten ein ruhiges Licht, als wäre nichts passiert.
Sie versuchte Alex zu überreden, das Taxi direkt zu seiner Wohnung fahren zu lassen, aber das ließ er nicht zu.
«Ich möchte lieber dich zuerst nach Hause bringen», sagte er. Durch die Schwellung an seinem Mund, wo Pauls Schlag ihn getroffen
hatte, klang seine Stimme ein wenig verzerrt. Etwas in seinem Tonfall sagte Kate, dass es klüger war, nicht auf ihrer Meinung
zu beharren.
|202| Während der Fahrt saß Alex in sich zusammengesunken in einer Ecke und starrte aus dem Fenster. Gelegentlich tupfte er sich
mit der blutbefleckten Serviette, die ihm der Oberkellner aufgedrängt hatte, den Mundwinkel ab. Kate saß auf der anderen Seite.
Es hätte ebenso gut eine Glaswand zwischen ihnen sein können.
Das Taxi hielt vor ihrer Wohnung. Als Kate die Wagentür öffnete, blickte Alex weiter aus dem Fenster.
«Es tut mir leid», sagte sie. Er nickte. Er sah so mutlos und niedergeschlagen aus wie ein Schuljunge, der gerade einen Boxkampf
verloren hatte. Mit einem plötzlichen Entschluss wandte sie sich an den Taxifahrer.
«Wir steigen beide hier aus, danke.»
Alex drehte sich erschrocken zu ihr um. «Nein, ich fahre nach Hause …»
«Nein, tust du nicht. Ich kann dich so nicht fahren lassen. Ich möchte wenigstens deine Wunde versorgen. Das ist das Mindeste,
was ich tun kann.»
«Nein, wirklich …», begann er, aber sie war bereits auf den Gehsteig getreten, die Taxitür stand offen, und sie drückte dem Fahrer die Pfundnoten
in die Hand. Nach einem Augenblick des Zögerns stieg Alex aus.
Schweigend stand er hinter ihr, während sie die Haustür aufschloss und ihn die Treppe hinaufführte.
«Das Badezimmer ist da drüben. Wenn du deinen Pullover ausziehen willst – ich habe ein T-Shirt , das dir wahrscheinlich passen würde.»
Sie ließ ihn allein, ging in die Küche und stellte die Espressomaschine an. Anschließend stöberte sie in einer
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