Flammenbrut
Unterlagen aus dem Umschlag und
las die jüngeren Einträge, ohne ihr eine Antwort zu geben.
«Sie sind noch keine fünf Wochen schwanger. Stimmt das?»
Kate nickte. Der Arzt schürzte die Lippen und blätterte ohne Eile ihre Unterlagen durch. Sie wartete; ihre Hände lagen zu
Fäusten geballt und weiß auf ihrem Schoß. Als der |264| Arzt nichts von Interesse in ihren Papieren fand, wandte er sich wieder zu ihr um.
«Warum wollen Sie eine Abtreibung?»
Sie erklärte es ihm. Er hörte zu, ohne sie zu unterbrechen. Die Beine übereinandergeschlagen, hatte er den Blick auf einen
Notizblock auf seinem Schreibtisch geheftet, auf dem er sich gelegentlich Notizen machte. Kate versuchte zu verhindern, dass
ihre Stimme bebte, aber als sie fertig war, zitterte sie am ganzen Körper. Sie hatte gehofft, dass es eine befreiende Wirkung
haben würde, wenn sie ihre Geschichte jemandem von Anfang bis Ende erzählte. Aber es half nicht.
Der Arzt machte sich noch ein oder zwei Notizen.
«Und was sagt die Klinik, die die künstliche Befruchtung durchgeführt hat, zu dieser Sache? Ich nehme an, Sie haben sie verständigt?»
«Sie … Sie sagen, sie hätten nichts damit zu tun. Als ich nach einem Schwangerschaftsabbruch fragte, sagten sie, ich solle mich
an meinen eigenen Arzt wenden.»
Dr. Janson war entsetzt gewesen, als Kate sie angerufen hatte, und wenn sie sich auch größte Mühe gegeben hatte, nicht mitleidlos
zu klingen, so war es doch offensichtlich ihre Hauptsorge gewesen, die Klinik von jeder Verantwortung freizusprechen. Kate
ganz allein habe den Spender ausgesucht, bemerkte sie hastig und überschlug sich beinahe in dem Bestreben, die Klinik vor
jedem Hauch eines Skandals zu bewahren. Aber Kate hatte niemanden gebraucht, der ihr sagte, bei wem die Schuld lag.
Als der Arzt seinen Stift zur Seite legte und Kate ansah, verriet seine Miene nichts von seinen Gefühlen.
«Was Sie im Grunde sagen wollen, ist doch, dass Sie, nachdem Sie größte Mühe auf sich genommen haben, schwanger zu werden,
jetzt Ihre Meinung geändert haben.»
|265| Seine Nüchternheit raubte Kate den Atem.
«Nein!», rief sie. «Nein, so einfach ist das nicht!»
Der Arzt nahm die Brille ab und ließ sie an der Kordel um seinen Hals baumeln.
«Aber genau das ist es doch im Grunde, was Sie sagen, oder etwa nicht?» Er nahm ein Papiertaschentuch aus der Tasche und begann,
den Kneifer zu putzen. «Ich habe durchaus Verständnis für Ihre Lage. Mir ist schon klar, dass das ein sehr traumatisches Erlebnis
für Sie gewesen sein muss. Aber die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, warum genau Sie Ihre Schwangerschaft abbrechen
wollen.»
Kate starrte ihn an. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er das ernst meinte. «Liegt das nicht auf der Hand?»
Er seufzte und betrachtete die Brillengläser noch einmal, bevor er die Brille wieder von der Kordel baumeln ließ. «Es liegt
auf der Hand, dass Sie sehr erregt sind, was verständlich ist. Ich versuche bloß festzustellen, ob Sie überhaupt kein Baby
mehr wollen. Oder ob Sie nur dieses besondere nicht mehr wollen.»
Kate öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann aber wieder. Der Arzt fuhr fort.
«Es ist nur natürlich, wenn Sie verwirrt und verängstigt sind. Und wütend, nehme ich an. Man hat Sie belogen und betrogen,
und Sie haben auf die schlimmste nur denkbare Art und Weise herausgefunden, dass der Mann, den Sie zum Vater Ihres Babys haben
wollten, nicht der ist, für den er sich ausgegeben hat. Aber vielleicht sollten Sie eine psychologische Beratung in Anspruch
nehmen, die Ihnen hilft, mit diesen Gefühlen fertig zu werden, statt eine übereilte Abtreibung vornehmen zu lassen.»
«Ich will keine Beratung!» Die Verwirrung, deren sie Herr geworden zu sein glaubte, trat wieder an die Oberfläche. |266| Sie schüttelte den Kopf. «Ich kann diese Schwangerschaft unmöglich fortsetzen!»
«Warum nicht?»
«
Warum nicht?
Weil er geisteskrank ist!»
«Ist das der einzige Grund?»
«
Reicht
das denn nicht? Alles, was er mir von sich erzählt hat, war eine Lüge. Er – er hat seine eigene Familie umgebracht! Und gerade
eben erst noch einen
anderen
Menschen, Herrgott nochmal!»
«Er hat das getan. Nicht das Baby.» Der Arzt sah sie gelassen an. «Das Kind, das Sie im Leib tragen, hat nichts getan, es
ist lediglich empfangen worden. Ist es fair, ihm die Schuld für etwas zu geben, das sein Vater verbrochen hat?»
Wieder fand Kate keine
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