Flammenbrut
der stilisierten Zeichnung von Flammen versehen.
Die Ärztin folgte ihrem Blick und schüttelte verständnisvoll den Kopf.
«Der ist nur für Papiertücher.»
Sie gab Kate einen kleinen Plastikbehälter, der einer Miniaturtasse ähnelte. Darin lag eine einzige weiße Tablette. Kate sah
sie an. Das winzige Ding schien nichtssagend und harmlos. Die Krankenschwester hielt ihr ein Glas Wasser hin. Kate nahm es
an. Das Zittern ihrer Hand übertrug sich auf das Wasser, dessen Oberfläche sich leicht kräuselte. |279| Kate hob die Plastiktasse mit der Tablette darin an die Lippen. Über den Tassenrand konnte sie die Ärztin und die Krankenschwester
sehen, die sie beobachteten. Ein Schluck, und es wäre erledigt. Die Sekunden verstrichen.
Kate ließ die Tasse sinken.
«Ich kann nicht.»
Sie schüttelte den Kopf. «Es tut mir leid, ich kann einfach nicht.»
Sie hielt den Behälter von sich, wollte ihn plötzlich loswerden. Die Ärztin nahm ihn ihr ab.
«Schon gut, niemand drängt Sie, die Sache durchzuziehen.»
Kate spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen: «Es tut mir leid. Ich hätte niemals herkommen sollen.»
«Keine Sorge. Sie sind nicht die Erste, die so weit gekommen ist und dann ihre Meinung geändert hat.» Die Ärztin lächelte
sie an und streichelte ihren Arm, auch wenn sich die Gesichtszüge der Krankenschwester versteinerten, als sie das Wasserglas
in der Spüle ausleerte. «Besser, Sie finden es jetzt raus als später.»
Als Kate durch den Flur dem Wartebereich entgegenging, fühlte sie sich schwach und ausgelaugt. Lucy blickte überrascht von
einer Zeitschrift auf.
«Das ging aber schnell.»
«Ich hab’s nicht machen lassen.»
Lucy ließ das Magazin sinken. Ihr Gesicht spiegelte Erstaunen wider. «Warum, was ist …?»
«Bitte, lass uns einfach gehen.» Kate sah die anderen Frauen im Wartezimmer an. Sie wandten den Blick ab, hörten aber offensichtlich
zu. «Ich erklär’s dir draußen.»
Der Schnee, der am Morgen gefallen war, lag nun als dünner brauner Matsch auf dem Pflaster. Vom Himmel |280| kamen noch immer ein paar Flocken heruntergeweht. Sie legten sich wie kalte Funken auf Kates Wangen.
«Was ist passiert?», fragte Lucy, als sie sich von dem Krankenhaus entfernten.
«Nichts. Ich habe es einfach nicht fertiggebracht.»
«Du meinst, du bist einfach wieder rausspaziert?»
Kate nickte. Lucy gab einen verärgerten, kehligen Laut von sich.
«Kate, was hast du dir dabei nur
gedacht
? Hör mal, wenn du wieder reingehst, würden die vielleicht …»
«Ich gehe nicht wieder rein.»
«Sei nicht dumm. Ich weiß, es ist schwierig, aber du musst dich der Entscheidung früher oder später stellen.»
«Ich habe mich der Entscheidung gestellt. Ich werde das Baby behalten.»
«Oh, komm schon, Kate, sei vernünftig!»
«Bin ich ja.»
«Ich dachte, es wäre alles abgemacht! Du hast selbst gesagt, es wäre das Beste so!»
«Ich habe meine Meinung geändert.»
Sie waren stehengeblieben. Die vom Himmel fallenden Schneekristalle hatten sich in Graupel verwandelt und sprenkelten ihre
Haare mit glitzernden Perlen. Lucy schob sich eine feuchte Strähne aus der Stirn.
«Pass auf, wir sehen jetzt erst mal zu, dass wir aus diesem Mistwetter rauskommen, und dann reden wir darüber.»
«Da gibt es nichts zu bereden. Ich habe dir gesagt, ich behalte es.»
«Du
kannst
es nicht behalten! Denk doch mal darüber nach, was du da tust! Der Vater ist ein kompletter Irrer, der wegen Mordes gesucht
wird. Er hat dir bereits gedroht, dich zu töten, und du willst trotzdem sein Baby bekommen?»
|281| «Das Baby trifft keine Schuld. Der Arzt hatte recht, ich kann ihm nicht die Verantwortung für die Taten seines Vaters geben.»
«Und was, wenn das Kind genauso wird wie er? Das ist nämlich durchaus möglich, und es ist mir egal, was die Ärzte dazu sagen.
Was wirst du dann machen?»
«Dieses Risiko muss ich eingehen. Aber es ist trotzdem mindestens ebenso sehr mein Kind wie seines, und ich werde alles in
meiner Kraft Stehende unternehmen, um dafür zu sorgen, dass es bessere Chancen hat als er.»
«Und das war’s? Du glaubst, das Kind wird dir dankbar sein, wenn es alt genug ist zu verstehen, wer sein Vater war? Was wirst
du ihm sagen?»
«Also gut, ich weiß es nicht. Ich habe ja nicht mal eine Ahnung, was ich morgen tun werde, ganz zu schweigen davon, was ich
in ein paar Jahren tue! Ich weiß lediglich, dass ich dieses Baby nicht töten werde!»
«Mein Gott,
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