Flammende Sehnsucht
Marcus resolut.
»Mich in den Abgrund stürzen«, murmelte Reggie.
»Genau.«
»Mich hinabstürzen, um unten auf den tückischen Felsen zu zerschellen, in hundert blutige Fetzen zu zerbersten.« Reggie seufzte tief. »Mir wär’s viel lieber, wenn sich das vermeiden ließe.«
»Oh Gott, er hat den Verstand verloren.« Thomas starrte ihn ungläubig an. »Ich habe ihn ja schon öfters in Liebesqualen erlebt, aber so leidend wie bei dieser Frau habe ich ihn noch nicht gesehen.«
»Diesmal ist es wahre Liebe«, erwiderte Reggie hochmütig, dann hielt er inne. »Es gibt aber noch ein Problem.«
Thomas blickte zu Marcus.
»Dacht ich mir’s doch.«
»Falls sie wirklich verliebt und nicht nur in Wollust entbrannt ist«, Reggie atmete tief aus, »dann besteht doch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Mann, aus dem sie sich so viel macht, der berüchtigte Lord Berkley ist. Und nicht der reale und ziemlich stinknormale ... nun ja ... ich eben.«
»Ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns einmal ernsthaft mit Seiner Lordschaft unterhalten«, sagte Marcus zu Thomas.
Thomas nickte und nahm Reggie das Glas aus der Hand. »Das hätten wir schon vor Jahren tun sollen.«
Wie vom selben Gedanken geleitet, packten die beiden jeweils einen von Reggies Ellbogen, schoben ihn gemeinsam ans andere Ende des Raums und drückte ihn in einen großen, bequemen Ledersessel.
»Was tut ihr denn da?« Reggie blickte zu seinen Freunden auf.
»Wir rücken deine Perspektive ein wenig zurecht.« Marcus kümmerte sich um die Gläser und drückte Reggie das seine in die Hand.
Thomas holte die Brandy-Karaffe und schenkte nach. »Du musst mal versuchen, dich mit den Augen der anderen zu betrachten.«
Reggie schnaufe beleidigt. »Ich verstehe nicht ...«
»Das ist genau das Problem.« Marcus schritt vor ihm auf und ab. »Du verstehst nicht, und es wird höchste Zeit, dass du es tust.«
Thomas ging in der entgegengesetzten Richtung auf und ab. »Beginnen wir mit dem Offensichtlichen.« Er hielt inne und betrachtete Reggie aufmerksam. »Du bist nicht hässlich, ja, manche würden dich sogar stattlich - oder schneidig nennen. Ich habe beobachtet, wie die Damen, einschließlich meiner eigenen Frau und ihrer Schwestern, dich mustern, und nie ist mir aufgefallen, dass eine sich angewidert abgewandt hätte.«
»Mein Äußeres ist wohl ganz akzeptabel«, murmelte Reggie.
»Geht man vom Offensichtlichen aus, so ist auch deine Stellung nicht zu verachten.« Marcus zählte die vorgebrachten Punkte an den Fingern ab. »Du besitzt einen ehrenvollen Titel, ein respektables Vermögen, ein schönes Landgut und ein glänzendes Haus in der Stadt...«
»Das gegenwärtig vom bereits genannten Gegenstand deiner Zuneigung neu eingerichtet wird«, fügte Thomas spitz hinzu.
»Darüber hinaus bist du ein treuer Freund, ein guter Sohn und Bruder, sehr, sehr großzügig und ein wirklich feiner Mensch. Das alles in Anschlag gebracht« - Marcus hielt inne und nickte - »würde ich dich mit Handkuss nehmen.«
Thomas hob sein Glas. »Ich auch.«
»So sehr es mich freut, das zu hören, die Frauen scheinen sich eurem Urteil nicht anzuschließen.« Reggie schnaufte verächtlich. »Auch nachdem wir meinen Ruf aufpoliert haben, sind sie mir nicht zu Füßen gefallen, falls ihr euch erinnert.«
»Mit Ausnahme von Miss Bellingham natürlich.« Marcus lachte leise.
»Welch unwiderstehliche Ironie. Der strahlendste Stern der Saison begehrt den berüchtigten Lebemann Lord Berkley, der eigentlich gar kein Weiberheld ist und sich nach einer ganz anderen verzehrt, die wiederum vor allem keinen Schwerenöter will.« Thomas stieß Marcus mit dem Ellbogen an. »Obwohl ich ja einen Teil seines Rufs für mich beanspruche, Viele der Liebesabenteuer, vor allem die sagenhafte, berüchtigte Affäre mit der mysteriösen königlichen Prinzessin, waren meine Erdichtungen.«
»Und sind wirklich großartig gelungen. Mein größtes Verdienst, fürchte ich, waren die Duelle«, meinte Marcus mit einem Seufzen. »Vielleicht habe ich meinen Part nicht gründlich genug erfüllt.«
Reggie verdrehte die Augen. »Ob Weiberheld oder nicht, ich war nie ein großer Liebling der Frauen.«
»Unsinn«, brummte Marcus. »Du hattest Chancen bei allen möglichen Frauen. Nur waren es nie die, die du haben wolltest. Bis heute hast du dich ausschließlich von Frauen angezogen gefühlt, die deine Gefühle nicht erwiderten. Und das, mein lieber Reggie, ist die Crux an der Sache. Das ist das einzig echte
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