Flammende Sehnsucht
einem Herrn statt einer Dame zu verhandeln. Männliche Empfindlichkeiten im Hinblick auf Möbel und Stoffe waren ihr nicht annähernd so vertraut, und trotz ihres erklärten Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten hatte sie sich besorgt gefragt, ob er ihre Vorschläge billigen würde. Obendrein waren die Damen, für die sie gearbeitet hatte, mindestens ebenso entzückt von ihrem Namen gewesen wie von ihrem Geschmack. Sie war sich ziemlich sicher, dass das Lord Berkley eher fernlag.
»Sie gefallen mir sogar außerordentlich. Obwohl ich zugebe, dass ich sie vielleicht nicht so guthieße, hätten Sie diesen Raum hier in Ihre Planungen einbezogen.«
»Ihren Anweisungen zufolge sollte ich die Bibliothek aussparen. Falls Sie aber Ihre Meinung geändert haben ...«
»Keinesfalls«, meinte er rasch und wandte sich ab, um die Bibliothek in den Blick zu nehmen. »Ich mag sie genau so, wie sie ist, und mehr noch, ich mag sie so, na ja, wie sie sich anfühlt.«
Langsam ließ er den Blick durch den Raum wandern, als wolle er jedes vertraute und geliebte Detail in sich aufnehmen. An aufwendig vertäfelten Wänden hingen alte Familienporträts und noch weit mehr zeitgenössische Gemälde, die sie als die Werke Mr. Turners und Mr. Constables wiedererkannte. Auf beiden Seiten drängten sich in vom Boden bis zur Decke reichenden Regalen schön gebundene Werke, die Spuren von Alter und vielfachem Gebrauch aufwiesen. Es war ein sehr maskuliner Raum, der geradezu lautstark von den Angelegenheiten, Belangen und Geschäften der Männer und nur der Männer kündete. Es hätte sie eher überrascht, wenn Lord Berkley oder überhaupt irgendein Mann sich in dieser Bastion der Männlichkeit hätte aufstören lassen. Überrascht und vielleicht sogar enttäuscht.
»Sie hat wirklich Atmosphäre«, sagte er wie ein Mann, der mit seiner Welt zufrieden ist.
»Das kann man wohl sagen«, murmelte sie.
Er betrachtete sie mit offensichtlicher Belustigung. »Der Geruch nach abgenützten, bequemen Ledersesseln - in Verbindung mit dem leichten Moderduft der Bücher - liegt Ihnen wohl nicht so?«
»Sie haben die Andeutung von Tabak und Brandy vergessen. Es ist schon eine sehr ... männliche Atmosphäre.«
»So habe ich das zwar nie gesehen, aber Sie haben wohl recht.« Fragend hoben sich seine Augenbrauen. »Stört es Sie, sich schon wieder in einer männlichen Domäne aufzuhalten?«
»Aber nicht im Geringsten.« Sie wischte seine Frage beiseite. »Wir haben ja bereits festgestellt, dass ich, was die Eroberung männlichen Terrains angeht, keinerlei Skrupel kenne, obwohl ich zugebe, dass meine Unerschrockenheit Grenzen hat. Beispielsweise würde ich nie einen Fuß in einen Herrenclub setzen. Das schickt sich nun wirklich nicht.«
Er verkniff sich ein Lachen.
Sie fuhr fort, als hätte sie nichts bemerkt. »Allerdings gehe ich mit Ihnen einig: Die Bibliothek vermittelt einem ein tröstliches Gefühl von Tradition und, ich denke auch, Liebe.«
Er betrachtete sie mit anerkennendem Blick und wandte sich wieder dem Raum zu. »Ich muss zwar gestehen, dass ich den Geruch dieses Orts liebe, seine Atmosphäre sich für mich aber weniger mit einem Duft verknüpft. Eher mit einer Erinnerung. Ich habe hier viele Stunden mit meinem Vater verbracht.«
»Wie lange ist er denn schon tot?«
»Inzwischen sind es mehr als zehn Jahre, aber hier fühle ich mich ihm nahe. Ich habe ihn gemocht, ja, sogar sehr gemocht, auch als Person, nicht nur als Vater, und ich glaube, er hat mich auch geliebt. Ich glaube, er war zufrieden mit mir.« Er schwieg eine Weile, und Cassie fragte sich, ob er sich jener längst vergangenen Tage entsann. Schließlich sah er sie verlegen an. »Verzeihen Sie, Miss Effington, normalerweise bin ich nicht so sentimental.«
»Aufpassen, Mylord, damit Sie sich nicht Ihren Ruf ruinieren.« Ihr unbeschwerter Ton verbarg, wie sehr sie die offensichtliche Zuneigung zu seinem Vater berührte. »Ich glaube nicht, dass berüchtigt und sentimental gut Zusammengehen.«
Er lachte. »Dann muss ich mich also vorsehen.«
Ihre Blicke begegneten sich, und sie hatte das seltsame Gefühl, als hätten sie soeben eine Übereinkunft erzielt. Vielleicht konnten sie ja wirklich Freunde werden. Vielleicht sogar mehr.
Vielleicht...
Bestimmt nicht.
Entschieden wandte sie sich ab und wieder den Skizzen zu und ignorierte das seltsame Flattern in ihrer Magengegend.
»Ich habe hier und da Markierungen angebracht, um Farbvorschläge anzudeuten, da ich aber Wasserfarben
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