Flammende Sehnsucht
Lord Berkley in einem großen runden Alkoven neben dem Ballsaal. Hohe Palmen und andere tropische Gewächse nahmen die Mitte des Alkovens ein, und vom Boden bis zur Decke reichende Fenster gingen auf die darunterliegenden Gärten hinaus. Es war der Ort, von dem aus man den Saal am besten überblickte.
Cassie ließ ihren Blick über die Menge gleiten.
»Welche also ist es?«, fragte Lord Berkley kühl.
»Einen Moment, Mylord«, sagte sie leise.
Sie hatte absolut recht gehabt, als sie Delia sagte, hier gäbe es Miss Wonderfuls wie Sand am Meer.
Das Problem war lediglich, welche sie nun aus der Herde herausklauben sollte.
»Nun?«, flüsterte ihr Delia ins Ohr. »Welche soll es sein?«
»Ich hab mich noch nicht ganz entschieden«, murmelte Cassie. »Ich hatte an Miss Carmichael gedacht.« Sie nickte einer Gruppe lächelnder junger Damen zu, die schwatzten und kicherten und jedem potenziellen Heiratskandidaten, der sich ahnungslos in Schussweite verirrte, kokette Blicke zuwarfen.
Delia schüttelte den Kopf. »Sie hat einen Hang zur Albernheit, glaube ich.«
»Wie wäre es mit Miss Bennet?« Cassies Blick ruhte auf einer zierlichen Blondine, die einen Tick zu inbrünstig lachte.
»Ich denke, sie ist ein bisschen zu überkandidelt, um wirklich wundervoll zu sein«, meinte Delia. »Außerdem plappert sie zu viel.«
Cassie verkniff sich eine scharfe Entgegnung.
Delia blickte sich im Saal um, dann stieß sie ihre Schwester an. »Da ist deine Miss Wonderful. Miss Bellingham.«
Cassie folgte dem Blick ihrer Schwester. Felicity Bellingham war die Tochter der verwitweten Lady Bellingham. Es war ihre zweite Saison, und während ihr im letzten Jahr noch kaum jemand Beachtung geschenkt hatte, war sie seither offenbar aufgeblüht und wurde nun als eine der Schönheiten der Saison gefeiert. Es liefen auch bereits unzählige Wetten darüber, wie schnell sie eine gute Partie machen würde. Sie war mittelgroß, hatte sehr dunkles Haar und Augen, die, so erzählte man sich, einen erstaunlichen Violettton besaßen. Außerdem, hatte Cassie gehört, galt sie als charmant und witzig.
Und sie konnte sie nicht ausstehen.
»Ich glaube, Miss Frey da drüben wäre eine bessere Wahl«, murmelte Cassie.
»Miss Frey ist ja recht nett.« Delia setzte ihre Worte mit Bedacht. »Und Gott sei Dank ist ihr Haar auch dicht genug, um das beeindruckende Ausmaß ihrer Ohren zu kaschieren.«
»Schönheit gehört nicht zu Lord Berkleys Auswahlkriterien.« Cassie wischte die Einwände ihrer Schwester beiseite und ignorierte auch einen leichten Stich, der vielleicht ein Gewissensbiss war. »Außerdem hast du eben gesagt, dass sie sehr nett ist.«
»So heißt es«, murmelte Delia.
»Nun, Miss Effington.« Lord Berkley trat neben sie. »Wer ist es denn nun?«
»Ja, Cassie, sag es uns doch«, drängte Delia mit süßem Lächeln.
Cassie verdrehte die Augen und seufzte ergeben. »Miss Bellingham, denke ich.«
»Miss Bellingham?« Berkley riss erstaunt und womöglich erfreut die Augen auf. »Miss Felicity Bellingham?«
»Es gibt nur eine Miss Bellingham«, konstatierte St. Stephens mit Nachdruck.
Cassie wurde bang ums Herz. »Sie kennen Sie also bereits?«
»Nein.« Berkley ließ den Blick auf dem Mädchen ruhen. »Aber ich habe von ihr gehört.«
»Sie müssten taub oder tot sein, um noch nicht von Miss Felicity Bellingham gehört zu haben«, sagte St. Stephens leise.
»Und ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen.« In Berkleys Augen blitzte der Schalk, und schon richtete er seine Rockaufschläge. Das war eine sehr ärgerliche Angewohnheit von ihm, gegen die mal jemand etwas unternehmen sollte.
»Ich bin mir sicher, dass wir jemanden finden, der Sie dem Mädchen vorstellen kann.« Cassie verstand nicht, warum sie nichts fühlte, das auch nur im Entferntesten der Befriedigung glich, wo sie doch nichts als Triumph empfinden sollte.
»Oh, ich kenne sie. Wir haben schon öfter miteinander geplaudert. Ich glaube sogar, Cassie, dass unsere Mütter ziemlich gut miteinander bekannt sind.« Delia warf ihrer Schwester einen unschuldigen Blick zu und wandte sich dann an Lord Berkley. »Wenn Sie möchten, werde ich Sie Miss Bellingham gerne vorstellen.«
»Das wäre mir mehr als recht.« Berkley bot Delia seinen Arm, und sie wandten sich zum Gehen. Berkley blickte über die Schulter zurück und grinste. »Gut gemacht, Miss Effington, sehr gut sogar.«
Cassie lächelte dünn.
Delia und Berkley setzten sich in Bewegung, und St. Stephens beugte
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