Flammender Diamant
Leben, könnte man das Eindringen eines Menschen in eine Höhle mit sexuellen Begriffen darstellen. Was die Höhle als weibliches Symbol betrifft: >Mutter Erde< ist ein gängiges Bild.«
Cole sah sie überrascht an.
»Ich hatte im College Englische Literatur als Hauptfach. Worte waren meine Leidenschaft. Dann habe ich die Fotografie entdeckt. Na ja. Aber Abe soll sich doch in der Literatur ausgekannt haben, oder?« »Sehr gut sogar, wenn er nüchtern war. Er pflegte mir beim Trinken Milton oder Pope zu rezitieren.«
»Armer Kerl.«
»Du wirst es kaum glauben, aber es hat mir gefallen. Er hatte eine eindrucksvolle Stimme.«
Erin sah Cole an und stellte fest, daß sie ihm glaubte. Seine Interessen waren unvorhersehbar.
»Aber es gibt da Probleme mit deiner Interpretation«, fuhr Cole fort.
»Nämlich?«
»Erstens keine Höhlen.«
»Wir müssen nur eine finden.«
»Stimmt«, sagte er trocken. »Und zweitens Abe.«
»Verstehe ich nicht.«
»Man nannte ihn nicht umsonst >verrückt<, ganz abgesehen davon, daß er kaum je nüchtern war. Erinnerst du dich an die letzten Zeilen seines Testaments? >Adieu, du meine Königin der Lügen / Und ich bin der König. < Vielleicht ist das ganze Ding nichts als ein riesiger Scherz.«
»Aber die Diamanten sind echt.«
»Todsicher«, sagte Cole finster. »>Geheimnisse schwärzer als der Tod / Und die Wahrheit zu sagen, heißt Tod. / Aber zu dir werde ich sprechen... Kind der Enttäuschung.< Damit meint er dich, Erin. >Kind des Verrats / Halte dich an mich. / Mein Grab, meine Knochen, / Höre sie ächzen. < Dir bietet er den Tod an.«
»Du hättest Literatur studieren sollen. Du liest mehr in dieses Ding als ich.« Sie sah auf Coles Armbanduhr. »Wann brechen wir wieder auf?«
Es entstand einen Augenblick knisterndes Schweigen, bis Cole den Themawechsel akzeptierte. »Ich lass' den Hubschrauber schon mal anlaufen.«
Ohne ein weiteres Wort über Tod und Gedichte ging er zum
Hubschrauber hinüber. Erin seufzte leise und trank noch etwas Kaffee, der dampfte und doch kaum heißer war als die Luft.
Der Hubschrauber sprang an und lief eine Weile stetig. Dann setzte er kurz aus, lief wieder weiter, setzte wieder aus. Nach ein paar Minuten wurde der Motor ausgeschaltet, Cole sprang herunter und begann das Innenleben des Hubschraubers zu untersuchen.
Als er kurz darauf wieder unter das Sonnensegel zurückkam, sah Erin schon an seinem Gang und dem schmal zusammengepreßten Mund, daß er verärgert war. In der Hand hielt er einen runden Metallzylinder. Er sah zum Himmel hinauf, wo sich Wolken schon zu bilden begannen. Es war früh für den Beginn der Regenzeit, aber der Regen konnte jeden Tag einsetzen, so wie es aussah, und damit war jede Möglichkeit, Crazy Abes Mine zu finden, gestorben. »Lai!«
Sie erschien so schnell, daß man annehmen mußte, sie hatte direkt hinter der Tür gestanden und gewartet.
»Ja?« fragte sie und sah nur Cole an.
»Sag Wing, er soll uns drei vollständige Sets Treibstoffilter für den Hubschrauber runterschicken. Die überzähligen werde ich ständig bei mir behalten.«
Lai nickte und sagte etwas auf chinesisch dazu.
»Sprich Englisch«, sagte Cole knapp.
»Aber du verstehst sehr gut Chinesisch«, murmelte sie.
»Erin nicht.«
»Warum bringst du es ihr nicht bei, wie ich es dir beigebracht habe?« Die Frage war einfach, aber Lais Stimme beschwor ein Bild herauf \on zwei ineinander verschlungenen Liebenden, die sich Dinge lehrten, die nicht das Geringste mit Sprache zu tun hatten. Die gleiche lebhafte Sexualität sprach aus Lais Hand, deren Finger leicht gekrümmt waren, als halte sie einen Mann und streichle ihn. Die Geste war so ausdrucksvoll und intim, daß Erin sich abwandte.
»Ruf deinen Bruder an«, sagte Cole knapp.
Ausdruckslos nickte Lai und zog sich ins Haus zurück.
»Was ist passiert?« fragte Erin.
»Verschmutzter Treibstoff.«
»Was?«
Cole schraubte ein Teil des Filters ab und zog einen Papierkegel heraus. »Fühl mal daran.«
Erin strich mit der Fingerspitze über den Kegel und rieb dann die Finger aneinander. Zuerst fühlte sie nur den Treibstoff. Dann spürte sie etwas wie ganz feinen Sand. Fragend sah sie Cole in die Augen.
»Man erwartet Verunreinigungen«, sagte er. »Darum gibt es ja Filter. Aber hier sieht es so aus, als wenn der halbe Sand der Oscar-Berge durchs System gelaufen wäre.«
»Und wie ist der Sand in den Treibstoff geraten?«
»Ich habe vielleicht den Deckel aufgelassen«, sagte er
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