Flammenherz (German Edition)
passiert war, um nicht ungewollt etwas zu verändern und erst dann einzugreifen, wenn der Zeitpunkt gekommen war, um Caleb zu retten.
Mir graute bei dem Gedanken an den Soldaten, der mich geschlagen und getreten hatte, aber das würde ich gerne noch einmal in Kauf nehmen, wenn ich dafür Calebs Tod verhindern konnte.
Mittlerweile waren Sarin und Seamus sich einig, wie ich den Ring halten sollte und in trauter Zweisamkeit liefen sie nebeneinander her und lachten, als wären sie noch nie unterschiedlicher Meinung gewesen.
Je näher wir North Fearns kamen, desto mulmiger wurde mir. Ich musste zwangsläufig an Jarlas Worte denken, als sie von ihrem anderen Ich berichtet hatte und von den Schmerzen, die damit einhergingen.
Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Entschluss, dass es nicht sehr viel schlimmer sein konnte, als das, was mir bisher widerfahren war.
Ich war fast ertrunken, war vom Pferd gefallen und um ein Haar vergiftet worden. Nicht zu vergessen, welche Verletzungen ich dem Soldaten im Wald zu verdanken hatte. Die schlimmsten körperlichen Schmerzen hatte ich jedoch ertragen müssen, als Jaxus mich getreten hatte. Nach all diesen Erfahrungen würde ich ja wohl mit meinem zweiten Ich klarkommen, oder?
Als North Fearns vor uns lag, zog sich die Sonne hinter dicken Wolken zurück und die Insel wirkte plötzlich trist und grau. Passend zu dem, was mir heute bevorstand, dachte ich und verzog den Mund.
Jetzt war es nur noch ein kleines Stück bis zum Steinkreis. Jarla hatte uns genau beschrieben, wie wir ihn finden würden und tatsächlich lag er einige Minuten später vor uns, mitten auf einer Wiese, als hätte ihn jemand dort abgestellt und vergessen.
Er war nicht ganz so groß wie der Steinkreis, durch den ich in die Vergangenheit gereist war, aber vom Aufbau her ähnlich. Auch hier standen die Megalithen rund um einen flachen Altarstein, der den Anschein erweckte, als wäre er umgefallen.
Zögernd blickten wir uns an und dann fasste ich mir ein Herz und trat als Erste hinein. Als die anderen sahen, dass ich nicht spurlos verschwand oder mich in Luft auflöste, machten auch sie einen Schritt nach vorne in den Kreis. Die Anspannung in jedem von uns war nun förmlich greifbar und keiner wusste so recht, was er sagen sollte.
Ich lief umher und meine Hand streifte über jeden einzelnen Megalith, als wolle ich ihnen gut zureden und sie bitten, mich sicher an mein Ziel zu bringen.
Dann setzte ich mich auf den Fels in der Mitte und sah mich um. Sarin stand vor einem der größeren Steine und streckte zaghaft die Hand danach aus, zog sie dann jedoch wieder zurück, noch bevor er ihn berührte. In seinem Gesicht spiegelten sich Ehrfurcht und auch eine gehörige Portion Angst. Ich konnte ihn gut verstehen, denn mir selbst ging es nicht viel anders.
Seamus saß am Boden, den Rücken an einen der Steine gelehnt und blätterte in dem roten Notizbuch, dass Jarla uns mitgegeben hatte. Es schien, als wolle er noch einmal überprüfen, ob die Berechnungen korrekt waren, auf die sie sich geeinigt hatten. Nach kurzer Zeit schlug er das Buch zu und verstaute es mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck in seiner Hosentasche.
Ich fasste in mein Oberteil und spürte sofort Imogens Notizbuch. Es beruhigte mich ungemein, dass ich denselben Spruch benutzen würde, wie bei meiner ersten Reise, denn ich konnte ihn mittlerweile auswendig, so oft hatte ich ihn gelesen. Die Zeiteinstellung wurde nur durch den Ring beeinflusst, die gälischen Worte waren immer die gleichen.
»Hast du Angst?«, erkundigte sich Sarin, der sich vorsichtig neben mich auf den Stein gesetzt hatte.
»Ein wenig«, gestand ich. Er legte den Arm um mich und ich ließ meinen Kopf seitlich auf seine Schulter fallen.
»Du wirst sehen, es wird alles gut«, flüsterte er beruhigend, wie zu einem kleinen Kind.
»Das hoffe ich sehr«, entgegnete ich leise und sah auf. Seamus stand vor uns und blickte nach oben in den Himmel.
»Es sieht aus, als würde ein Sturm aufziehen«, stellte er mit faltiger Stirn fest und sah dann zu mir. »Wir sollten nicht mehr allzu lange warten.«
Als ich die dunklen Wolken sah, die vom Meer her zu uns zogen, gab ich ihm recht und rappelte mich auf. Ich vermisste die beiden schon jetzt, auch wenn ich sie schon bald wiedersah. Ich würde aber nicht auf die Männer treffen, die mir mittlerweile so vertraut waren und mit denen ich ein Geheimnis teilte, denn sie würden sich an nichts erinnern, was geschehen war.
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