Flammenherz (German Edition)
Leben und ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie es nun weitergehen sollte. Ich war in einer Zeit gefangen, die mir völlig fremd war. Wie würde ich mich in diesem Jahrhundert alleine zurechtfinden? An Calebs Seite hatte mir das alles nichts ausgemacht, aber wie konnte ich das ohne ihn schaffen?
Ich griff nach meiner Lederhose und den Kleidern, die ich für Sarin gekauft hatte, sah mich ein letztes Mal in meinem Zimmer um und ging. Auf dem Weg zum Stall begegnete ich keiner Menschenseele. Es war geisterhaft still. Sicher kümmerten sich alle um Adelise und diese Schlampe hatte endlich die Aufmerksamkeit, die sie unbedingt wollte.
Cameron erwartete mich bereits. Er stand vor den Stallungen auf dem Hof und hielt Sullahs Zügel in der Hand.
»Reitet so weit weg, wie nur möglich, Lady Janet«, beschwor er mich. »Ich würde mir nie verzeihen, wenn man Euch findet und hängt.« Bei diesem Satz zuckte ich unwillkürlich zusammen. Die Vorstellung, dass mein Körper leblos an einem Strang baumeln könnte, trieb mich zur Eile an. Mit Camerons Hilfe stieg ich auf Sullahs Rücken. Als ich auf meinem Pferd saß, nahm er meine eiskalten Finger und umklammerte sie mit beiden Händen.
»Gebt auf Euch Acht«, bat er mich, dann gab er Sullah einen festen Klaps und das Pferd setzte sich in Bewegung.
Ich drehte mich um und warf einen Blick auf die Burg, die in den letzten Wochen zu meinem Zuhause geworden war. Noch nie zuvor hatte ich solch eine Verzweiflung und Leere in mir gespürt, wie in diesem Augenblick.
Laufend sah ich zurück, versuchte mir jede Kleinigkeit einzuprägen und wurde dabei von immer heftigeren Weinkrämpfen geschüttelt. Ich wusste nicht, wohin ich reiten sollte und überließ diese Entscheidung meinem Pferd, das gemütlich vor sich hin trabte.
Irgendwann war Trom Castle aus meinem Blickfeld verschwunden und um mich herum war nichts als finstere Nacht. Hin und wieder kroch der Mond hinter der dicken Wolkendecke hervor und warf einen fahlen Lichtschein auf die Highlands, doch ich hatte keinen Blick für meine Umgebung.
Ich wollte einfach nur weg von hier und hoffte mit der Burg auch meinen Schmerz zurücklassen zu können, doch dem war nicht so. In mir war etwas zerbrochen und eine beängstigende Gleichgültigkeit bemächtigte sich meiner.
Zu allem Überfluss fing es nun an zu regnen, es war mir jedoch egal. Selbst als sich meine Kleidung mit Wasser vollgesogen hatte, spürte ich die Kälte nicht.
Als ich weit unter mir Loch Shin erkannte, dachte ich für den Bruchteil einer Sekunde daran, mich an den Rand des Abgrundes zu stellen und in die Tiefe zu springen, aber dafür fehlte mir die Kraft. Ich zitterte noch immer. Mittlerweile tat ich es allerdings vor Kälte.
Nur sehr langsam begriff ich, was geschehen war, und konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Doch immer wenn ich mich selbst zurechtgewiesen hatte und mir einredete, dass es irgendwie weitergehen würde, sah ich Calebs Gesicht vor mir. Dann verfiel ich erneut in die Lethargie, die mir half, alles um mich herum auszublenden. Irgendwann legte ich meinen Oberkörper auf Sullahs Nacken und hatte nur noch den Wunsch zu sterben.
Nachdem wir die letzten Hügel überquert hatten, ritten wir durch einen dunklen Wald, dessen dichtes Blätterdach nicht einmal den Mondschein hindurch ließ. Sullah trabte ruhig und gleichmäßig voran und ab und zu schenkte er mir ein leises Wiehern, so als wolle er mir Mut machen und mir ein wenig Trost spenden.
Unter normalen Umständen hätte ich mich in diesem Wald zu Tode gefürchtet, aber mittlerweile war mir alles egal. In jeder Faser meines Körpers hatte sich tiefe Verzweiflung eingenistet, es war kein Platz mehr für Furcht.
Neben mir im Dickicht hörte ich Äste knacken und der Wind heulte zwischen den Bäumen, aber ich ignorierte es, genau wie die Kälte. Erst als Stimmen an mein Ohr drangen, schreckte ich hoch, doch da war es schon zu spät.
Mein Pferd hielt ruckartig an und ich sah erschrocken auf. In der Dunkelheit konnte ich die Silhouetten von mindestens fünf Gestalten erkennen, die sich um Sullah herum aufgebaut hatten. Dann entzündete einer von ihnen eine Fackel und im Schein des Feuers sah ich, dass es sich um großgewachsene Männer handelte. Alle hatten schwarze, lange Haare und ein südländisches Aussehen.
Ihre Kleidung war seltsam bunt und ihre dunklen Augen musterten mich misstrauisch. Ich fragte mich, was sie in den Highlands zu suchen hatten.
Einer von ihnen, der
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