Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
hatte nur so getan, als würde es Spaß machen. Sie kicherte und brach Schokoladenstücke ab, wollte eigentlich aber wohl nur herausfinden, ob Vicky die gleichen Dinge erlebt hatte wie sie, ohne zu verraten, was vorgefallen war.
Vicky erinnert sich an Mirandas Versuch, unbeteiligt zu klingen, als sie fragte, ob Daniel zum Spielen in ihr Zimmer gekommen war.
»Miranda hat nichts gesagt«, versucht Vicky zu erklären und begegnet für einen kurzen Moment Daniels Blick. »Sie hat irgendwie nichts davon erzählt, was du in der Therapie machst …«
Vickys Wangen laufen rot an, als sie plötzlich erkennt, dass alles zusammenhängt. Daniel muss Miranda und Elisabeth getötet haben. Die Morde haben nichts mit Schlampen zu tun. Daniel hat Miranda umgebracht, weil sie schwanger war.
Vielleicht hatte Miranda Elisabeth ja schon alles erzählt.
Vicky versucht, ruhig zu atmen, weiß nicht, was sie sagen soll, knibbelt an ihrem Gips und zieht ein wenig an dem krümeligen Gewebe.
»Das war ja …«
Daniel lehnt sich vor, nimmt das Handy aus ihrem Schoß und steckt es in seine Tasche.
»Die Therapie … bei der ging es doch nur darum, den Mut zu haben, sich gegenseitig zu vertrauen«, fährt Vicky fort, obwohl ihr bewusst ist, dass Daniel sie längst durchschaut hat.
Er weiß, dass sie weiß: Er hat Miranda und Elisabeth mit einem Hammer erschlagen und ihr die Schuld in die Schuhe geschoben.
»Ja, das ist ein wichtiger Schritt in der Therapie«, sagt Daniel und beobachtet sie genau.
»Ich weiß«, flüstert sie.
»Wir könnten das jetzt eigentlich mal üben, du und ich. Nur zum Spaß …«, sagt er.
Sie nickt und denkt voller Panik, dass er beschlossen hat, sie zu töten. In ihren Ohren rauscht das Blut, und aus ihren Achselhöhlen läuft Schweiß. Er hat zu ihrer Freilassung beigetragen und ist zu Elins Haus mitgekommen, um herauszufinden, was sie weiß, um sicherzugehen, dass man ihn nicht entlarven kann.
»Schließ die Augen«, sagt er lächelnd.
»Jetzt?«
»Es macht Spaß.«
»Aber ich …«
»Tu es einfach«, sagt er streng.
Sie schließt die Augen und hält sich die Hände vors Gesicht. Ihr Herz rast vor Angst. Er macht irgendetwas im Zimmer. Es klingt, als würde er das Betttuch abziehen.
»Ich muss mal pinkeln«, sagt sie.
»Gleich.«
Sie bleibt mit den Händen vor dem Gesicht sitzen und zuckt zusammen, als er einen Stuhl über den Boden zieht. Sie hört ein schlurfendes Geräusch, und ihre Beine zittern, dennoch hält sie sich weiter die Hände vors Gesicht.
166
ELIN FÄHRT SO SCHNELL SIE KANN den steilen Hang hinauf. In der Ablage hinter dem Schaltknüppel klirrt ein Schlüsselbund. Zweige schleifen über Blech und Fenster. Sie bremst in einer engen Kurve und gerät ins Schleudern. Die Räder rutschen über den losen Kies, aber sie kuppelt aus, bekommt die Kurve und kann wieder Gas geben.
Der Wagen wird heftig erschüttert und donnert. Schmelzwasser hat tiefe Furchen in die Schotterpiste gezogen, die nach Tegefors führt.
Sie fährt bergauf, ist zu schnell. Als sie sich der Einfahrt zum Haus nähert, geht sie ein wenig vom Gas. Sie lenkt jäh nach rechts, der linke Seitenspiegel wird vom Torpfosten abgeschlagen, und die Seite des Wagens schrammt an ihm entlang. Sie gibt Gas und hat das Gefühl, dass der Wagen vom Boden abhebt, als sie über die Kuppe schießt. Im Kofferraum kippt krachend ein Kasten Mineralwasser um.
Sie fährt die letzte Gerade zum Haus hinauf, tritt auf die Bremse und wirbelt eine Staubwolke auf. Elin verlässt das Auto, lässt den Motor laufen, rennt zur Haustür und hinein. Die Jalousien sind heruntergelassen. Es ist stockfinster, und sie stolpert im Dunkeln über Stiefel und Skischuhe, als sie in das große Wohnzimmer eilt.
»Vicky!«, ruft sie.
Elin schaltet die Lampen an, läuft die Treppe hinauf, stolpert und stößt sich das Knie an einer Stufe, rappelt sich wieder auf undrennt zu Vickys Zimmer. Sie drückt die Klinke herunter, aber die Tür ist abgeschlossen. Elin hämmert gegen die Tür und hört die Hysterie in ihrer Stimme, als sie losschreit:
»Aufmachen!«
Aus dem Zimmer dringt kein Ton, und Elin bückt sich und schaut durch das Schlüsselloch. Auf dem Fußboden liegt ein Stuhl, flackernd bewegen sich Schatten über die Wände.
»Vicky?«
Sie weicht zurück und tritt gegen die Tür. Man hört nur einen matten Laut. Sie tritt erneut zu und läuft anschließend ins Nebenzimmer, aber der Schlüssel steckt nicht im Schloss. Sie läuft zur nächsten Tür
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