Flammenpferd
Hella die Longen.
„Kann ich noch was für dich tun?“, fragte er.
Hella dankte ihm und bat ihn darauf zu achten, dass sich die anderen in sicherer Entfernung hielten. Fadista warf sich gegen den Anbindestrick, konnte aber nicht verhindern, dass Hella beide Longen im Kappzaum verknotete. Den Karabinern traute sie für das, was folgen mochte, nicht genügend Stabilität zu. Sie behielt die rechte Longe und übergab die andere an Johansen. Er hielt den Pferdekopf an der straff gespannten Longe zurück, und Hella löste den Anbindestrick.
„Achtung, jetzt!“, flüsterte Johansen und löste die Sperrstange aus der Verankerung. Fadista wollte sich herum werfen, doch die zwei Menschen an beiden Seiten hatten die Longen straff gehalten und dirigierten ihn auf die Rampe zu.
„Vorsicht, er springt!“, rief Hella und gab mit der Longe nach, bevor der Hengst sie zu Boden reißen konnte. Johansen hatte ebenso rasch reagiert und die Leine gelockert. Fadista hob ab und flog im hohen Bogen über die Rampe hinweg. Auf dem Kies rutschten ihm die Beine zur Seite. Er schlidderte vorwärts, fing sich wieder und wollte im Galopp auf und davon. Hella und der Tierarzt waren inzwischen aus dem Transporter gesprungen und hielten die Leinen straff, so dass der Hengst zwischen ihnen gefangen war. Er stieg und bockte auf der Stelle. Hella musste ihr ganzes Geschick aufbringen, um das richtige Maß zwischen Halten und Lockern der Longe zu finden, und ihr tropfte – der kühlen Witterung zum Trotz – der Schweiß von der Stirn. Unerwartet beendete Fadista seine Bocksprünge und blieb stehen. Seine Flanken bebten vor Anstrengung.
Johansen hielt die Longe mit beiden Händen und ließ das Pferd nicht aus den Augen. „Er ist mit seinen Kräften am Ende. Und er blutet am Kopf. Sehen Sie das?“
Hella stand in einem anderen Winkel als der Tierarzt und hatte die tänzelnde Kruppe im Blickfeld. Sie ahnte, woher die Verletzungen stammen mussten. „Die Serreta muss fort. Was darunter ist, wird nicht gut aussehen.“
Die kurze Ruhepause war jäh vorüber. Fadista setzte sich unvermittelt auf die Hinterhand, ruderte mit den Vorderbeinen und stieg steil empor, bis er senkrecht stand, und Hella befürchten musste, er könnte sich überschlagen und sie unter sich begraben. Mit einem Sprung rettete sie sich zur Seite, und Johansen flüchtete in Richtung Pferdekopf.
„Ich beantrage eine Gefahrenzulage“, schnaufte er, ohne den Blick vom Pferd abzuwenden.
Hella hörte nicht auf, sachte, aber beharrlich an der Longe zu zupfen, um Fadista auf den Boden zu locken. „So viel Honorar wie Sie wollen! Die Rechnung geht an Swantje.“
Als Fadista endlich wieder unten war, führten sie ihn vorwärts, und mit jedem Aufbäumen leistete er seinen unfreiwilligen Beitrag und brachte sie um eine Pferdelänge näher ans Ziel.
„Gut so, mein Freund! Bleib in Bewegung“, rief Johansen. „So kannst du nicht steigen.“
Bocksprung für Bocksprung überquerten sie den Hof und gelangten schließlich zum Paddockstall, der zurzeit leer stand. Seine drei Bewohner hielten sich in den Ausläufen auf. Maren hatte die Boxentür weit geöffnet und sah ihnen entgegen. Ihr rundes Gesicht hatte unter der Anspannung alle unangemessene Kindlichkeit verloren. Die anderen folgten neugierig, aber mit Abstand. Swantje führte den Trupp an. Den Hengst in die Box zu bugsieren, gelang verblüffend schnell. Vielleicht lockte ihn der Berg duftenden Heus, das Maren in einer Ecke aufgehäuft hatte.
Hella klappte die Boxentür zu und schob den Riegel vor. „Danke für Ihre Hilfe, Dr. Johansen.“
Johansen wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. „Wir sind noch nicht fertig. Kümmern wir uns um die Serreta.“
Außerdem mussten sie die Longen abnehmen, damit das Pferd sich nicht darin verwickelte. Sie berieten sich kurz, dann schaute Hella sich nach einem stabilen Halfter um. Johansen ging zum Wagen, um die nötigen Medikamente zu holen.
Der Lusitano riss den Kopf hoch und wieherte lautstark. Angestrengt lauschte er den viel stimmigen Antworten, die zu seiner Begrüßung aus allen Winkeln des Hofes herüber schallten.
14
Auf der Stallgasse setzte eine rege Diskussion ein. Mit Rücksicht auf das Pferd wurde sie halblaut geführt. Man fachsimpelte über das Gebäude und den herrlichen Typ und stellte sich die Frage, ob man jemals gefahrlos mit dem Hengst umgehen könnte. Nicht einer richtete das Wort an Swantje, die die Formalitäten mit den Portugiesen
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