Flammenpferd
der Mitte von dem ausladenden Kuchentresen beherrscht wurde, war gut besucht. Jette hatte einen freien Tisch auf der Nichtraucherseite ergattert und machte Hella mit einem munteren Winken auf sich aufmerksam. Hella bahnte sich ihren Weg zwischen besetzten und mit Einkaufstaschen und Regenmänteln beladenen Stühlen hindurch bis zum Fenster und quetschte sich auf den Stuhl, der zwischen dem Tisch und dem breiten Rücken einer schwer gewichtigen Dame gerade noch Platz gefunden hatte.
„Danke, es geht schon“, murmelte Hella, als die Frau den hilflosen Versuch unternahm, näher an ihren Tisch heran zu rücken.
Jette grinste. „Sauwetter, nicht wahr?“
„Dir kann das Hamelner Wetter gleich sein“, erwiderte Hella. „Übermorgen aalst du dich in der Sonne Portugals.“
Die Kellnerin brachte zwei Tassen Cappuccino.
„Ich habe für dich mit bestellt“, erklärte Jette und beugte sich vor. „Erzähl mal, wie war’s gestern Abend?“
Hella löffelte den Milchschaum von der Tasse. „Der Vortrag war hoch interessant. Der Professor ...“
„Das Fachliche kriegen wir später“, unterbrach Jette Hellas Antwort. „Ich meine, wie ist er?“
„Meinst du Johansen?“
Jette verdrehte die Augen. „Nee, den Papst.“
Hella kam der plötzliche Gedanke, Jette und Johansen könnten zueinander passen. Jette lebte allein, seit ihre Ehe an den langwierigen Auslandseinsätzen ihres Mannes, eines Maschinenbauingenieurs, gescheitert war. Allerdings hatte sie ihre Ansprüche, was einen Mann anging. Hella hielt es für eine Schutzfunktion, was Jette energisch von sich wies. Es konnte nicht schaden, ein wenig Werbung für Sten Johansen zu machen. Hella schilderte ihn von der besten Seite, was bei ihrer Freundin allerdings völlig falsch ankam.
Jette bedachte Hella mit einem mütterlichen Blick. „Sten also? Und ich dachte, du hättest ein Auge auf Julian geworfen.“
Hella schluckte. „Hör mal, das verstehst du vollkommen falsch. Johansen ist mir sympathisch, ganz bestimmt. Er ist ein patenter Mann. Es hat mich beeindruckt, wie er mir bei Ausladen von Fadista ohne große Umstände geholfen hat. Aber sonst ....“
„Was ist mit Julian?“
„Julian kann mir gestohlen bleiben. Den Kerl will ich auf meinem Hof nicht mehr sehen!“
Die dicke Frau nebenan straffte den Rücken und drehte den fleischigen Hals.
„Du hast ja eine Mordswut auf ihn“, flüsterte Jette. „Was hat er angestellt?“
Hella betrachtete die Reste des Milchschaums auf ihrem Kaffee. „Nichts von Bedeutung. Er geht mir eben auf die Nerven.“
„Klar, und über diese Bedeutungslosigkeit regst du dich so auf!“
Hella schob die Tasse von sich fort. „Glaubst du, man kann ihm vertrauen?“
Jette nickte. „Ich denke schon. Das spürt man doch, ob es einer ehrlich meint.“
Hella konnte gerade noch einen Stoßseufzer unterdrücken. In dieser Hinsicht war Jette eine ungeschickte Ratgeberin. Jette, die selbst Nelli, der intrigantesten Person, der Hella jemals begegnet war, nichts Böses zugetraut hatte. Hier war nicht der Ort, um Geheimnisse auszuplaudern. Außer einer Frage, die zu wichtig war, um aufgeschoben zu werden.
„Hast du etwas über Swantje herausgefunden?“
Jette nickte. „Ich weiß nicht, welche Antwort du erwartet hattest, aber wie es aussieht, ist sie Tag und Nacht mit ihrer Diplomarbeit beschäftigt. Sie hat den Amtsleiter gebeten, einen Blick auf ihren Entwurf zu werfen, und der Mann soll schwer beeindruckt gewesen sein. Sagt mein lieber Freund. Du bist Schuld, dass er sich nun wieder Hoffnungen macht, weil ich mich auf ein Gespräch eingelassen habe.“
Die Antwort half Hella nicht unbedingt weiter. Warum sollte Swantje nicht beides sein, Komplizin und brave Studentin. „Hast du ihre Adresse erfahren?“
„Geduld, meine Liebe! Er kümmert sich darum und ruft mich an. Ich musste ihm meine Handynummer geben!“
Hella lächelte. „Wie kann ich dieses Engagement wieder gut machen.“
„Das lässt sich nicht mit Gold aufwiegen“, knurrte Jette. „Es genügt, wenn du den Cappuccino bezahlst!“
In den folgenden Minuten sprachen sie über die Reise.
„Vielleicht erfahre ich von Uschi mehr über Fadista, das dir weiter hilft“, sagte Jette. „Lässt Swantje sich nun endlich auf das Geschäft Auto gegen Pferd ein?“
Hella nickte zuversichtlich. „Ich hoffe sehr. Sie will den Wagen haben und ziert sich noch ein wenig.“
Jette grinste. „Stimmt. Neulich habe ich zugesehen, wie sie mit gierigen Augen um dein Auto
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