Flammenpferd
eine lebhafte Ursachenforschung.
„Das kommt von der elenden Raserei durch die Stadt“, schimpfte eine dicke kleine Frau und zog zeternd weiter. „Zustände sind das!“
Die Polizei und ein Krankenwagen rauschten mit Blaulicht heran und hielten hintereinander halb auf dem Fußweg. Zwei Sanitäter sprangen aus dem Rettungswagen und fragten nach Verletzten.
„Niemandem ist etwas passiert“, erklärte Hella.
„Und was ist damit?“, fragte der Ältere der beiden Männer und deutete auf Hellas Stirn.
Sie lächelte matt. „Das hat nichts zu bedeuten. Ist eine frühere Verletzung.“
„Und Sie sind wirklich in Ordnung?“, hakte er nach.
„Bestimmt“, versicherte Hella. „Nur ordentlich erschrocken.“
Sie hielten sich nicht weiter auf, kletterten in den Wagen zurück und fuhren davon.
Eine Polizistin sprach Hella an. Sie lächelte aufmunternd. „Alles klar mit Ihnen? Gut. Können Sie bitte den Unfall beschreiben?“
Bevor Hella ein Wort sagen konnte, mischte sich ein alter Mann ein. „Ein Mädchen ist schuld, so eine kleine schmuddelige.“ Er stützte sich schwer auf einen Gehstock, und sein freier Arm beschrieb einen weiten Bogen vom Durchlass in der Kirchgartenmauer über den vierspurigen Münsterwall hinweg und hinüber bis zum Hotel Stadt Hameln, in dem die Gäste in den Zellen des ehemaligen Gefängnisses logierten. „Die Kleine kam da raus geflitzt und ist dort rüber gerannt. Die junge Frau hier kann nichts dafür! Im Gegenteil. So wie Sie reagiert haben! Kompliment, junge Frau! Schade um den schönen Wagen.“ Ihm war anzumerken, wie gern er seine Beobachtungen weiter ausgeführt hätte.
Die Polizistin dankte ihm höflich und wandte sich an Hella. „Können Sie das bestätigen? Bitte schildern Sie den Unfall aus Ihrer Sicht.“
Auf der nassen Straße wäre der Wagen beim Bremsen außer Kontrolle geraten, erklärte Hella. Im Übrigen entsprach ihre Beschreibung der des Zeugen. Die Beamtin fragte nach Einzelheiten zu dem Mädchen. Auf Details wollte Hella sich nicht festlegen. „Alles ging so schnell. Es stimmt, sie war klein und wirkte ungepflegt. Als ob sie auf der Straße leben würde.“
„Na, dann wird sie sich schnellstens davon machen“, vermutete die Polizisten. „Ich werde eine Fahndung raus geben. Wir kriegen sie schon.“
Sie klärte mit Hella die Formalitäten, und ihr junger Kollege notierte die Adressen einiger Zeugen. Hella sollte sich später auf der Wache melden. Die Polizisten verabschiedeten sich, und die Umstehenden verloren nach und nach das Interesse und strebten auseinander. Hella zog die Fahrertür auf und suchte nach dem Handy, bis sie es endlich unter dem Sitz zu fassen bekam. Sie setzte sich quer, mit den Beinen, die ihre gewohnte Kraft allmählich wieder gewannen, zum Gehsteig hinaus, und rief ihre Werkstatt an. Innerhalb der nächsten zwanzig Minuten käme der Abschleppwagen, versprach der Mann am Telefon.
Der Regen setzte wieder ein. Es war kein heftiger Schauer wie zuvor, sondern ein feiner Nieselregen.
Wieso musste ihr ausgerechnet Jana vors Auto laufen? Was wollte sie hier? Außer den Leuten vom Stall kannte sie niemanden in der Stadt, und zu keinem hatte sich, nach Hellas Einschätzung, ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Dieser angebliche Freund ihres Freundes fiel ihr ein, den eben dieser Freund in der Nacht besuchen wollte, als es zwischen ihm und Jana zum Streit kam. An diese Geschichte glaubte Hella schon lange nicht mehr. Jana war wohl niemals mit einem Freund unterwegs gewesen.
Die Passanten schlugen einen Bogen um den Unfallort und betrachteten den Wagen im Vorbeigehen mal mit besorgten, mal neugierigen Mienen. Ein Mann mit Schirm trat zögernd heran, um zu fragen, ob Hella Hilfe gebrauchen könnte. Sie bedankte sich und erklärte, sie warte auf den Abschleppwagen. Als er gegangen war, nahm sie das Handy und rief Evelin an. Sie meldete sich nicht, und Hella hinterließ einen Gruß auf dem Band. Danach führte sie ein Gespräch mit dem Futtermittelhändler und erledigte eine Bestellung. Erst jetzt fiel ihr Dieter Freytag ein. Sie erklärte ihm in wenigen Worten, warum sie die Verabredung nicht einhalten konnte. Er könnte sofort kommen, meinte er. Das sei nicht nötig, erwiderte sie und bedankte sich für das Angebot. Den neuen Termin wollten sie in den nächsten Tagen ausmachen.
Ungeduldig sah Hella auf die Uhr. Erst eine knappe Viertelstunde vorbei. Da entdeckte sie im Rückspiegel den Abschleppdienst. Sie war kaum
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