Flammentod
Boden schießen - vor allem da, wo so was nicht hingehört. Man muß sich nur mal ansehen, was hier in der Stadt passiert. Gar nicht weit von hier, an der Gierather Mühle, haben sie auf einen kleinen Hof gleich am Landschaftsschutzgebiet mal eben fünfzehn Wohneinheiten hingesetzt - und damit die historische Mühle praktisch zugebaut.«
»Ganz recht«, sagte Willi schnippisch und schnitt seine nächste Frikadelle an. »Am Landschaftsschutzgebiet. Am wohlgemerkt. Aber eben nicht auf. Das ist der Unterschied.«
»Hat das auch Achim Diepeschrath gebaut?« warf ich ein.
Willi sah mich erstaunt an. »Ach, Sie haben die Zeitung gelesen, was? Nein, der Diepeschrath, der war doch so gut wie pleite. Vielleicht noch nicht mal mehr so gut wie, sondern wirklich. Nee, der hat an der Gierather Mühle nichts gemacht. Das Geschäft haben sich andere unter den Nagel gerissen.«
»Pleite?«
Willi nickte. »Wie der Finanzminister. Das hört man jedenfalls.«
Ich dachte an den geplanten Grundstückskauf. Wo hätte Diepeschrath dafür das Geld hergenommen?
»Fünfzehn Wohneinheiten, direkt an den Wald gequetscht«, sagte Theresa, und ihre Stimme nahm einen scharfen Ton an. »Weißt du, was das bedeutet? Die enge Sackgasse, die zu der alten Mühle führt, verwandelt sich über kurz oder lang in eine Mini-Autobahn. Dazwischen ist alles zugeparkt, und wenn sich mal zwei Autos begegnen, wird das zum Hindernisrennen.«
»Trotzdem sind alle Auflagen eingehalten worden«, wandte Willi ein. »Das ist eben das Dilemma - alle wollen am Wald wohnen, aber keiner will Nachbarn haben, die es auch tun.«
Sie fuhr erbost auf. »Quatsch. Man muß nicht jedes Grundstück bis zum letzten ausnutzen. Wenn ich dieses Wort schon höre - Wohneinheiten. Denen geht es nur um den Profit. Es hätte auch gereicht, wenn nur fünf sogenannte Einheiten gebaut worden wären. Und apropos Mini-Autobahn.« Sie hielt ein Messer in der Hand, und die Spitze wies genau auf Willi. »Da wohnen dann bald noch mehr Leute, die morgens im Berufsverkehr nach Köln müssen, und um so größer wird die angebliche Notwendigkeit für die Autobahnzufahrt, die sie hier bauen wollen.«
»Was für eine Autobahnzufahrt?« fragte ich.
»O nein, nicht schon wieder«, stöhnte Willi und trank einen Schluck. Dann wandte er sich mir zu. »Das ist ein alter Plan, der schon tausendmal verworfen wurde«, sagte er abfällig, als ginge es um etwas, das so wenig zur Debatte stand wie die Besiedelung des Meeresgrundes.
»Sie haben vor, von der Gierather Straße aus eine Abzweigung zu bauen, die das letzte Stück Wald hier vor der Haustür brutal durchschneidet und dann den ganzen Stadtverkehr zur A4 lenkt«, sagte Theresa Heilig düster.
»Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand«, rief Willi und goß sich aus der Flasche Kölsch ein.
Sie sah ihn giftig an. »Liest du keine Zeitung?«
»Theresa sieht das viel zu dramatisch«, wiegelte Willi ab.
»Zu dramatisch, ja?« sagte sie verächtlich. »Dann paß mal auf.«
Willi sah mich kauend an, hob den Zeigefinger und ließ ihn neben seiner rechten Schläfe kreisen.
»Das habe ich gesehen, Willi«, rief sie und wandte sich mir zu. »Also kurz gesagt ist das so: Seit Jahrzehnten dümpelt im Gladbacher Stadtrat der Plan eines Autobahnzubringers vor sich hin. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wo so eine Stadtautobahn gebaut werden könnte, auf der dann Tausende von Brummis und Pkw am Tag vobeidonnern. Eine davon sieht so aus, daß der ganze Verkehr nur wenige Meter von hier vorbeiführen würde. Die bauen eine Abzweigung in den Wald rein; dann geht die Straße über die letzten Stückchen Wiese und Weide und stößt hier hinten in der Nähe von Köln-Merheim auf die Autobahn. Und umgekehrt geht’s natürlich gleichzeitig stadteinwärts in die Gladbacher Innenstadt.«
»Aber man muß doch was gegen den Stau tun«, meldete sich Willi vorsichtig. »So geht das schließlich nicht weiter.«
»Natürlich muß man gegen den Stau was tun«, sagte Theresa etwas ruhiger. »Aber der Bau einer Straße ist genau das Falsche. Jede Straße in der Geschichte der Menschheit ist mal gebaut worden, um irgendwo hinzukommen oder eine andere Straße zu entlasten. Irgendwann wird auch die neue Straße mal verstopft sein. Und was dann?«
»Das erlebe ich nicht mehr«, stellte Willi so zufrieden fest, als freue er sich darüber.
Theresa Heilig stierte mürrisch vor sich hin. Ich nippte an meinem Bier und dachte nach.
»Was ist mit der anderen Variante?« fragte
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