Flammentod
Einfahrt führte auf ein Garagentor zu, durch das drei Autos nebeneinander hätten durchfahren können. Zur Haustür kam man über einen verspielten Zickzack-Weg von kleinen Treppchen, zwischen denen winzige Beete angelegt waren. Statt Blumen wuchsen schmale Steinsäulen in die Höhe, die sich nach oben verjüngten und dann noch mal so richtig in die Breite gingen, bevor sie sich oben glatt rundeten.
Der Eingang bestand aus einem gläsernen Vorbau, der von innen mit weißem Stoff verhängt war. Der Namenszug »Morsbach« befand sich in großen Buchstaben an der gläsernen Haustür. Die Lettern waren offensichtlich aus Ton gebrannt - jede einzelne gut und gern zwanzig Zentimeter hoch. Alle waren leicht abgerundet und wirkten verschnörkelt, jede erstrahlte in einer anderen Farbe - in unterschiedlichem Blau, Rot, Gelb und Grün. Es hatte was von einem Kindergarten.
Ich holte tief Luft und drückte auf den Klingelknopf, der sich ganz unauffällig auf der anderen Seite der Tür unter einem gigantischen Briefkasten befand. Ein dunkles Ding-Dong ertönte.
Es dauerte nicht lange, und die Vorhänge wurden zur Seite gewischt. Ich sah eine Frau mit hellen Haaren, die glatt herunterhingen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte erstaunt; das lag an ihren Brauen, die sich über die Augen spannten wie zwei weitgeschwungene Brückenbögen.
»Ja bitte?« fragte sie.
»Frau Morsbach?«
»Ja.«
»Mein Name ist Rott. Ich arbeite für die Anwaltskanzlei Vogt in Bergisch Gladbach. Ich hätte ein paar Fragen an Sie. Darf ich hereinkommen?«
»Sind Sie auch Anwalt?«
»Ich bin Privatermittler. Ich kann Ihnen meinen Ausweis zeigen, wenn Sie möchten«, sagte ich und zog meine Brieftasche hervor.
Sie musterte mich aufmerksam von oben bis unten, ihr Blick blieb an dem Verband hängen, der unter meinem rechten Ärmel hervorlugte. »Nein, nicht nötig. Kommen Sie.«
Wir betraten eine hell geflieste Diele, die in ein weitläufiges Wohnzimmer überging. Der Steinfußboden wechselte mit hellem Teppich.
»Hier entlang bitte.«
Wir umkreisten einige abstrakte Steinskulpturen, die in wuchtigen Metallhalterungen steckten und den Kunstwerken draußen ziemlich ähnlich sahen. Die Wände waren mit Gemälden bedeckt. Weiter hinten führte eine Wendeltreppe nach oben. Mitten im Raum stand eine helle Sitzgruppe um einen runden Glastisch.
Katharina Morsbach ließ sich in dem Sofa nieder, machte eine einladende Geste, und ich setzte mich ihr gegenüber. Ein fremdartiger Geruch lag in der Luft - das eigenwillige Parfüm dieser Dame. Es erinnerte an das Aroma exotischer Hölzer.
»Ich vermute, Sie kommen wegen meinem Bruder«, sagte sie. »Er ist verhaftet worden, nicht wahr?«
»So ist es.«
»So was spricht sich schnell rum.«
Mein Blick fiel auf die Wand hinter dem Sofa, an dem ein großformatiges Gemälde hing. Es bestand aus großen abgerundeten Flächen von grauer, gelblicher und weißer Farbe; dazwischen waren hier und da ein paar schwarze Striche zu sehen. Ich brauchte eine Weile, bis sich vor meinen Augen die Flächen in den Eindruck von ineinanderverschlungenen Körpern verwandelten - Körper, die durch etwas Längliches miteinander verbunden waren; etwas, das ähnliche Umrisse besaß wie die Plastiken, die in der Wohnung und im Vorgarten standen.
»Haben Sie das gemalt?«
Katharina Morsbach blickte mich an und verzog den Mund zu einem Lächeln. »Gefällt es Ihnen?«
Sie stand auf, und ihr weites Kleid aus dunklem Stoff sorgte für einen leichten Windstoß. Ich bemerkte, daß sie barfuß war. Ihre Zehennägel waren schwarz lackiert.
»Ich habe gerade eine Flasche Champagner aufgemacht - nur so für mich. Ich bin oft allein …«
Sie ging an eine kleine Hausbar neben der Wendeltreppe und hob eine dunkelgrüne Flasche hoch. »Und der Champagner bringt mich auf Ideen. Na, wie wär’s? Ein Schlückchen?«
Ich sagte nichts, und sie goß uns zwei Gläser ein, mit denen sie zum Tisch zurückkam. Es war schwer zu schätzen, ob sie älter oder jünger war als ihr Bruder.
»Sie haben gerade gesagt, die Sache mit Herrn Becker habe sich herumgesprochen. Haben Sie das denn nicht in der Familie irgendwie erfahren? Ich meine, haben Sie in letzter Zeit nicht mal mit seiner Frau telefoniert?«
Sie trank einen Schluck. Ich ließ mein Glas stehen.
»Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich habe seit fast zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder. Es hat da mal Ärger gegeben. Auf meiner Hochzeit. Es fing mit einer Diskussion über Politik an …
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