Flammentod
Das einzige, was ich weiß, ist, daß er in Refrath einen Gemüseladen aufgemacht hat. Schön für ihn.« Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich in das Sofa zurück. »Warum wollen Sie das denn wissen? Gibt es nichts Interessanteres, das Sie fragen könnten?«
»Meine zweite Frage hat ja dann wenig Zweck«, sagte ich. »Die Frage nämlich, ob Sie sich vorstellen können, daß Ihr Bruder ein Mörder ist.«
»Vorstellen kann ich mir alles. Bei so einem sturen Querkopf. Dabei weiß ich noch nicht mal genau, wen mein Bruder da eigentlich um die Ecke gebracht haben soll.«
»Aber es wäre Ihnen recht, wenn er als Mörder verurteilt würde, oder?«
Sie hob wieder ihr Glas und trank einen Schluck. »Mörder von wem?«
»Eines Gladbacher Bauunternehmers. Kurz bevor er umkam, hatte Ihr Bruder Streit mit ihm.«
»Sollen Sie herausfinden, ob er es war?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin davon überzeugt, daß er es nicht war. Und das möchte ich beweisen.«
Sie zog die Beine an und kuschelte sich in die Couchecke zurück. Das Gewand rutschte hoch und gab ihre Beine frei.
»Aufregend! Ein echter Privatdetektiv sind Sie also? Das fasziniert mich. Das fasziniert mich sogar sehr. Da erleben Sie doch bestimmt ziemlich viele spannende Sachen, oder? Und gefährliche!«
»Na ja…«
»Und haben Sie auch eine Waffe? Sie müssen sich doch verteidigen!«
»Ja, ich habe auch eine Waffe.«
Sie stellte die Füße wieder auf den Boden. »Zeigen Sie sie mir. Bitte. Ich möchte sie unbedingt sehen!«
Ich machte eine beschwichtigende Geste. »Frau Morsbach -«
»Nennen Sie mich Katharina.«
»Frau Morsbach, bitte. Ich bin nicht hier, um Ihnen etwas über Privatdetektive zu erzählen oder Waffen zu zeigen. Das können Sie in allerlei Büchern nachlesen - falls es Sie wirklich interessiert. Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen, okay? Dann gehe ich wieder.«
»Wegen mir brauchen Sie nicht zu gehen. Bleiben Sie ruhig noch ein bißchen«, sagte sie und kicherte plötzlich wie ein kleines Mädchen.
Ich versuchte, die Sache abzukürzen. »Wo waren Sie am Sonntagabend?«
»Gestern? Hier. Ach je.« Sie seufzte. »Mein Mann hatte ein Treffen im Unternehmerklub, wie jeden letzten Sonntag im Monat. Wissen Sie, mich langweilt das furchtbar.«
»Ich meine nicht den gestrigen Sonntag, sondern den davor. Letzte Woche.«
Sie dachte kurz nach und zog dabei die Stirn kraus. Dann hob sie den Zeigefinger, als sei ihr etwas eingefallen. »Müssen Sie das ganz genau wissen?«
»Ja. Es ist wirklich sehr wichtig. Sie brauchen, um es mal so auszudrücken, ein Alibi.«
»Oh, das ist ja spannend!« Sie stand auf und zupfte ihr Kleid zurecht.
»Und - haben Sie eins?«
»Natürlich«, sagte sie und verschwand in eine andere Region des Wohnzimmers.
»Sagen Sie es mir, damit ich es überprüfen kann, dann sind Sie mich los.« Langsam beschlich mich der Verdacht, daß ich hier gewaltig auf dem Holzweg war.
»Sie werden das Alibi kriegen. Eine Sekunde noch.« Ihre Stimme kam von irgendwo hinten.
Mein Glas stand unberührt auf dem Tisch. Ich betrachtete die anderen Bilder, die an den Wänden hingen und alle in den gleichen Farben gemalt waren wie das gigantische Opus. Im Grunde war es auch immer dasselbe Motiv - Variationen eines Themas. Ihre Schritte tappten dumpf über den Teppichboden. Als sie zurückkam, hatte sie ein triumphierendes Lächeln auf dem Gesicht.
»Sie brauchen ein Alibi? Für mich? Habe ich Sie da richtig verstanden? Sie verdächtigen mich?« Sie lachte, reckte den Hals in die Höhe und blickte zur Decke. Die Aussicht, die Verdächtige in einem Mordfall zu spielen, schien sie geradezu zu verzücken.
»Ich gehe nur ein paar Hinweisen nach«, dämpfte ich ab.
»Ich bin es nicht gewesen, ehrlich.« Sie beugte sich neben mir herunter, so daß der Parfümgeruch stärker wurde, und legte etwas auf den Glastisch. Es waren geheftete Papierblätter.
»Schauen Sie hier. Und das gehört auch noch dazu.« Sie hielt eine Videokassette in der Hand. »Das sehen wir uns am besten gemeinsam an.«
Die Blätter waren eine Art Einladung: »Spontanmalerei für jedermann«, stand da; darunter war in nicht gerade kleinen Lettern zu lesen: »Wir erfühlen die Landschaft und nehmen sie auf in unsere kreative Seele. Wir nehmen Kontakt auf zur universalen Kraft des Kreativen. Kreativ sein heißt für uns Da-Sein, In-der-Welt-Sein. Die Kraft des Körperlichen vermittelt sich im kreativen Umgang mit dem Selbst.«
»Interessant, was?«
»In
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