Flammentod
Becker nickte wieder.
»Sie haben einen Anruf von einer Frau bekommen. Sie hat behauptet, der Kanister aus Achim Diepeschraths Wagen sei in Ihrem Gartenhaus. Und Sie hatten einen solchen Haß auf Ihren Mann, daß Sie es der Polizei gemeldet haben. Und die fand den Kanister dann tatsächlich.«
»Ja … Ich habe damit nicht … wirklich … gerechnet. Ich hätte nie gedacht, daß er wirklich …« Sie brach ab.
»Und jetzt tut es Ihnen leid, daß Ihr Mann Ihretwegen in Untersuchungshaft sitzt.«
In diesem Moment brach sie in heftiges Schluchzen aus.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich völlig hilflos. »Bitte beruhigen Sie sich. Es wird alles wieder gut.« Das Schluchzen ging in leises Weinen über. »Der Notarzt wird gleich hier sein. Ich verspreche Ihnen, daß Ihr Mann bald freikommt.«
Sie wischte sich mit der unverletzten Hand über das tränenverschmierte Gesicht. Ich blickte mich um und fand auf dem mit Unterlagen übersäten Schreibtisch eine Rolle Küchenpapier. Ich riß ein Stück ab und reichte es ihr.
»Danke«, flüsterte sie und begann sich das Gesicht zu säubern.
In der Ferne waren Sirenen zu hören.
»Sagen Sie mir noch eins. Bitte.«
»Was?« fragte sie.
»Gibt es im Bekanntenkreis von Ihnen oder Ihrem Mann eine Frau, die mit Vornamen Katharina heißt oder sich Katharina nennt?«
Sie sah mich verständnislos an.
»Bitte. Denken Sie nach. Der kleinste Hinweis kann uns helfen. Katharina.«
»Meine Schwägerin … Volkers Schwester …«
»Wie ist ihr Nachname?«
Die Sirenen kamen immer näher. Ich mußte auf die Straße, den Helfern den Weg zeigen. Ich war nicht sicher, ob ich die richtige Hausnummer durchgegeben hatte.
»Bitte, Frau Becker. Wie heißt sie mit Nachnamen, und wo wohnt sie?«
Sie sah mich immer noch erstaunt an. »Morsbach. Katharina Morsbach. Dünnwalder Weg.«
Zehn Minuten später hatten die Sanitäter Ruth Becker mitgenommen, und ich saß im Wagen, um herauszufinden, wo der Dünnwalder Weg war. Als ich die Stelle auf der Karte sah, griff ich zum Handy, rief Jutta an und erzählte ihr von Ruth Becker und der neu ins Spiel gekommenen Katharina.
»Du meine Güte, ist das eine tragische Geschichte«, sagte sie. »Ein Glück, daß du noch rechtzeitig gekommen bist.«
»Der Notarzt sagte, es sei nicht so schlimm. Sie kommt auf jeden Fall durch.«
»Und du glaubst, daß wir jetzt die gesuchte Katharina kennen?«
»Ich bin mir ziemlich sicher. Sie heißt nämlich nicht nur Katharina, sondern sie hat noch etwas mit der historischen Hexe gemeinsam.«
»Du meinst, mit der angeblichen Hexe. Was denn?«
»Sie wohnt in Nittum - dem Ortsteil, aus dem auch Katharina Scheuer stammte. Das würde doch passen.« Ich fuhr scharf an. Die Ampel war auf Grün gesprungen. »Wie sieht’s bei dir aus?«
»Alles ruhig«, sagte Jutta. »Ich bin auf Beobachtungsposten. Seit du weggefahren bist, hat sich nichts verändert.«
»Gib mir Bescheid, wenn sie das Haus verlassen.«
»Klar, Chef.«
Ich sah auf die Uhr: Es war zwanzig vor fünf. Die Wagenkolonne stoppte wieder. Berufsverkehr.
»Sag mal«, fragte Jutta, »bist du eigentlich sicher, daß du diese Ruth Becker richtig verstanden hast?«
»Na klar. Wieso?«
»Nur so. Wie du das geschildert hast, war sie ja kurz davor, ohnmächtig zu werden.«
»Ich glaube, sie wollte das loswerden. Die Sache mit dem Benzinkanister ist jedenfalls glasklar. Jemand wollte Becker reinreißen. Und dieser Jemand hat den anonymen Brief geschrieben, den Kanister versteckt, dann bei Ruth Becker angerufen, um sie gegen ihren Mann aufzuhetzen.«
»Und dieser Jemand hat auch Diepeschrath auf dem Gewissen.«
»Wahrscheinlich.«
»Dieser Jemand muß aber jemand sein, der ganz schön über die Psychologie der Menschen Bescheid weiß. Und alle Beteiligten kennt.«
»Und eine Frau ist«, ergänzte ich.
»Und jemand, zu dem du gerade fährst.«
»Hoffentlich.«
11. Kapitel
Um halb sechs kam ich ans Ziel. Der Dünnwalder Weg zweigte an der Stadtgrenze von der Durchgangsstraße nach Leverkusen ab. Ein Schild verkündete, daß es sich um eine Sackgasse handelte und daß es keine Wendemöglichkeit gab. Ich kümmerte mich nicht darum.
Auf der einen Seite der Straße reihten sich die Häuser aneinander, auf der anderen grenzte der Wald an die unbefestigte Teerfläche. Ziemlich weit hinten ging der Straßenbelag in Matsch über. Ich stellte den Wagen zwischen den Bäumen ab und stieg aus.
Katharina Morsbach wohnte ganz nett.
Die mit Natursteinen gepflasterte
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