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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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mit einem Haargummi zu einem Pferdeschwanz zurück und starrte ihr Gesicht im Spiegel an. Sie sah aus wie eine Drogensüchtige: Ihre Augen waren blutunterlaufen und von dunklen Ringen gezeichnet, das Gesicht viel zu blass. Kein Wunder, dass Marsh sie von dem Fall abgezogen hatte. Sie kaute an ihrer Unterlippe und gelobte feierlich, darüber jetzt nicht weiter nachzudenken. Sie musste sich darauf konzentrieren, sich selbst zu helfen und die DAGR so gut sie nur konnte unterstützen, damit Mimi aus ihrer Aura vertrieben und in den Rinnstein getreten würde.
    Anya zog die Schuhe aus und stellte sie säuberlich vor die Badewanne. Dann nahm sie ihren Gürtel ab, die Ohrringe und die Armbanduhr. Sie nahm das Kleingeld aus ihren Taschen und hängte ihre nach Knoblauch riechende Jacke an den Türknauf. Das war die Standardprozedur für einen Exorzismus: Lass niemals etwas in Reichweite des Opfers, das sich als Waffe missbrauchen lässt. Den Halsreif ließ sie jedoch mit voller Absicht an seinem angestammten Platz. Sie hatte ihn seit ihrer Kindheit noch nie abgenommen, und sie würde bestimmt nicht heute damit anfangen.
    Sie atmete tief durch und öffnete die Tür. Katie nahm sie am Arm, und Sparky glitt hinter ihnen die Stufen zur Bar hinunter.
    Am Fuß der Treppe blieb Anya stehen und stieß einen leisen Pfiff aus. »Schick.«
    Die Bar war wie zu einer Party herausgeputzt worden. Ein Kreidekreis umgab den Tresen, und Kerzen standen in allen vier Himmelsrichtungen. Als Anya genauer hinsah, erkannte sie, dass der Kreidekreis die Form des Ouroboros hatte, der weltverzehrenden Schlange. Auf der Ostseite war eine Lücke frei geblieben, durch die Anya, Sparky und Katie den Kreis betreten konnten. Der Tresen war mit Kreidezeichnungen in den verschiedensten Farben verziert: Runen, Pentagramme und Engelsschrift für die Erzengel, farblich jeweils korrespondierend mit den Elementen. In der Mitte glaubte sie, den kabbalistischen Lebensbaum zu erkennen. Es war, als hätte jemand einen mystisch veranlagten Straßenmaler auf die Bar losgelassen, der sich hier einige Stunden ausgetobt hatte. Die Spiegel hinter dem Tresen waren mit schwarzen Müllbeuteln verhängt, und in der Luft hing der schwere Duft von Räucherstäbchen; am deutlichsten konnte Anya Eukalyptus und Zedern riechen. Alles in allem erinnerte der Duft hauptsächlich an Husten-und-Magen-Tropfen. Jules und Max standen neben einem sonderbaren Sortiment an Ausrüstungsgegenständen am Ende des Tresens. Anya glaubte, in dem Durcheinander einen Eiskübel mit einem Schneebesen zu entdecken.
    Dies waren die großen Geschütze, nicht die schlichten, naturmagischen Segnungen, die die DAGR üblicherweise bei ihren Austreibungsritualen für einfache Geister nutzten. Diese Magie beruhte vorwiegend auf Intention - und sie war in den meisten Fällen so impulsiv wie effektiv. Es war die Art Magie, die Anya selbst unbewusst einsetzte, wenn sie Geister austrieb, und es war die Macht, die Sparky beseelte. Sie entstammte der Umwelt, den grundlegenden Elementen, und wirkte ohne Formeln oder komplizierte Rezepte.
    Schwere Zeremonialmagie wurde nur zu besonderen Gelegenheiten genutzt; sie musste sorgfältig geplant, die Anweisungen buchstabengetreu befolgt werden. Ihre Macht erhielt sie durch die verborgenen Dinge, durch das Geschick und die innere Stärke der Person, welche die Magie bewirkte. Während man in Naturmagie eine Kunstform sehen konnte, war die Zeremonialmagie eher eine Wissenschaft. Regeln wollten befolgt werden, Rezepte verinnerlicht. Rituelle Magie war etwas für echte Magier, Leute wie Katie und Ciro, die die Geschichte und die Bedeutung jeder Äußerung und jeder Geste kannten.
    Ciro saß in seinem Rollstuhl, und sein Finger zeigte auf eine Stelle in einem sehr großen, dicken Buch voller eselsohriger Seiten. Der Titel war der reinste Zungenbrecher: Sefer Raziel HaMalach. »Hast du gut geschlafen?«, erkundigte er sich bei Anya.
    »Das kommt darauf an, wen du fragst«, sagte sie. »Ich glaube, ich habe eine von Mimis Erinnerungen geträumt.«
    Ciro legte die Stirn in Falten. »Dann sollten wir loslegen.«
    Katie trat sich die Schuhe von den Füßen und zog sich eine reich bestickte Samtrobe über die Straßenkleidung. Als sie ihr silbernes Athame herauszog, fühlte Anya sich wie ein Besucher auf einem Markt der Renaissance, der sich gerade daran machte, Kartoffeln zu schälen. Anya fand sich absolut unpassend gekleidet. Eines musste sie den Katholiken und den Wicca lassen: Sie

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