Flammenzorn
Katies Kreidezirkel fort und brach den Zauber.
»Nein!« Katie fiel mitten in dem Trümmerhaufen auf Hände und Knie und versuchte, den Kreis mit ihrer rosaroten Straßenmalkreide wieder zu schließen, doch es war zu spät. Die Energie war bereits entwichen, und die Kreide wollte auf dem feuchten Boden nicht haften.
Anya fühlte, wie Mimis Kichern über ihre Lippen entfleuchte, ehe sich der Dämon wieder in ihre Magengrube zurückzog. Berieselt von Wasser, Schnaps und Glassplittern starrte Anya hinauf zu der metallenen Deckenverkleidung und kämpfte mit den Tränen. Sparky legte den Kopf auf ihre Schulter und seufzte schwer, während das Klimpern der Scherben und Münzen um sie herum allmählich erstarb.
Die nun einsetzende Stille, dieses tonlose Seufzen des Misserfolgs, war ohrenbetäubend.
Anya hockte in Ciros Duschwanne auf dem Boden. Kaltes Wasser prasselte auf ihre Haut. Sie zitterte - wegen der Kälte, wegen ihrer Furcht und wegen des Schmerzes, den das Wasser auf ihren Verbrennungen verursachte. Sparky tappste vor ihr auf und ab und wimmerte leise. Sie wusste, dass er sich genauso hilflos fühlte wie sie selbst, genauso machtlos. Es stand nicht in ihrer Macht, ihre Arbeit zu tun und Ferrers Zündelei ein Ende zu setzen. Es stand nicht in ihrer Macht, Brian zu helfen, der anscheinend im Nirgendwo festhing. Es stand nicht in ihrer Macht, sich Mimis zu erwehren, die ihren Körper in Besitz genommen hatte. Und nun hatte Mimi auch noch das Devil's Bathtub demoliert, und Anya war keinem ihrer Ziele auch nur einen Schritt nähergekommen. Es war schon tröstlich, dass Ciros Herz in diesem Chaos nicht aufgegeben hatte. Die arme Renee hatte sich erst zwischen den Bodendielen hervorlocken lassen, als Ciro versprach, er würde seine formidable Jazz-Sammlung aufstocken, um ihr eine »neue« Tanz-Nummer zu liefern.
Anya schrubbte vergeblich an den hebräischen Lettern auf ihren Armen herum. Ciro hatte einen Permanentmarker benutzt, also würde sie die Schrift so schnell nicht wieder loswerden. Sollte sie ihre fünf Sinne bis Halloween wieder beisammen haben, könnte sie glatt als Dreidel gehen. Sollte sie ... es waren nur noch zwei Tage bis zur Nacht des Teufels. Die Zeit, die ihr blieb, um Ferrer davon abzuhalten, Sirrush zu wecken, lief ab. Und Teufel auch, in zwei Tagen bedeutete ihr das vielleicht gar nichts mehr ... in zwei Tagen hockte sie womöglich in der geschlossenen Psychiatrie und wusste rein gar nichts mehr von der Welt außerhalb ihres Schädels.
Sie streckte die Hand aus, um das Wasser abzudrehen. Kaum tat sie es, fingen die winzigen Schnittwunden an ihren Armen, im Gesicht und an den Händen wieder an zu bluten, also tastete sie außerhalb der Dusche nach Papiertüchern, um die Blutungen zu stoppen. Dabei kam sie sich vor wie damals, als ihre Mutter sie bei ihrem ersten Versuch ertappt hatte, sich die Beine zu rasieren. Damals war sie elf gewesen und hatte nicht gewusst, dass Seife ein notwendiger Bestandteil dieser Prozedur ist. Es hatte Tage gedauert, bis die roten Wundmale an ihren Beinen verheilt waren.
Sie griff nach einem blauen Handtuch, auf dem das Blut nicht so gut sichtbar sein würde, und trocknete sich ab. Dann wischte sie den Dunstfilm vom Spiegel, um ihre Brandwunde zu betrachten. Das Rot war zu einem kränklichen Rosa verblasst, und das Gewebe fühlte sich sehr weich an, als wäre die Haut zu lange unter einem Pflaster verschrumpelt. Pflichtbewusst schmierte sie erneut antibiotische Heilsalbe auf die Wunde, auch wenn das nun wirklich ihre kleinste Sorge war. Vage überlegte sie, ob die Wunde je heilen würde, solange sie mit Mimi infiziert war.
Katie hatte ihr ein Glas mit einem Dämonentranquilizer hiergelassen, der stärker war als die Knoblauchbutter, eine knallharte Erinnerung daran, dass der Exorzismus fehlgeschlagen war. Anya schraubte den Deckel des Einmachglases ab und schnüffelte. Bienenwachs umschloss die Blätter unidentifizierbarer Kräuter und Blumen, aber der vorherrschende Geruch war eine Mischung aus Minze und Basilikum. Sie rieb sich das Zeug auf die Haut, und die schien es viel bereitwilliger aufzunehmen als die Knoblauchbutter, die den ganzen Tag als schwitzig-feuchter Film an der Oberfläche haftengeblieben war.
Katie hatte ihr auch Kleidung zum Wechseln gebracht, wofür sie wirklich dankbar war. Anya mochte nicht einmal daran denken, sich in einer nassen, mit Glassplittern bespickten Hose nach Hause zu schleppen. Katies Klamotten rochen nach Lavendel, und das
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