Flammenzorn
Getränkeautomaten, das wie ein Schmetterling in dem düsteren Nebel schwebte. Sie sah das Mädchen inmitten Hunderter toter Opfer durch die Höhle zu der grollenden Finsternis im Hintergrund ziehen. Sie sah ihre Mutter in ihrem verkohlten, rosaroten Nachthemd mit ihnen gehen und Neuman in seiner Feuerwehruniform. Alle waren sie im Feuer gestorben und nährten nun Sirrush.
Sie brüllte ihnen zu, versuchte, sich durch die Menge zu drängen. Aber Mimi hatte ihre Stimme zerstört, hatte sie aus ihrer Kehle gekratzt wie eine Auster aus der Schale. Sie streckte die Hand aus, erwischte einen Ellbogen und brachte eine Gestalt dazu, sich zu ihr umzudrehen.
»Brian«, flüsterte sie.
Sein Kopf war geschoren und schon wieder voller Stoppel, und ein Schlauch baumelte von seiner Schläfe auf die Schulter herab und hinterließ ein Rinnsal auf dem Krankenhauskittel, als sie ihn schüttelte. Ein Durcheinander aus Kabeln und Schläuchen schleifte hinter ihm her wie die abgetrennten Schnüre einer Marionette.
»Brian ... Du dürftest nicht hier sein, Brian«, sagte sie voller Nachdruck. »Du bist am Leben.«
Er starrte sie aus glasigen, leeren Augen an, ehe seine Aufmerksamkeit wieder zu dem klaffenden Schlund aus Finsternis zurückkehrte.
»Hörst du mich?« Tränen rannen über ihre Wangen, und sie packte ihn mit aller Kraft. »Du lebst. Du darfst nicht hier sein!«
Er sah sie gar nicht, starrte nur an ihr vorbei in die wachsende Dunkelheit.
Anya erwachte in tiefer Finsternis, ruckte so schlagartig hoch, dass sie die verbrannte Brust gegen den Sicherheitsgurt drückte. Sparky purzelte von ihrem Schoß in den Fußraum.
Katie trat auf die Bremse. »Was? Was ist los?«
Anya umklammerte den Gurt, der in ihre Brust schnitt und stechende Schmerzen über ihre Haut jagte. Tief in ihrer Kehle spürte sie, wie Mimi kicherte.
»Es ist Brian«, keuchte sie. »Ich habe geträumt, Brian wäre tot.«
Katie presste die Lippen zusammen und trat wortlos aufs Gas. Der Dart rollte grollend den Highway hinunter auf die fernen Lichter von Detroit am Horizont zu.
Anya presste die Handballen an die Augen. Wenn sie Brian verlöre ... Sie hatte ihm versprochen, alles würde anders werden. Sie würde lernen, ihm ihr Herz zu öffnen.
Du hast gelogen, zischte Mimi ihr zu. Du hast ihn angelogen. Würdest du ihn lieben, dann hättest du dich nicht von Drake Ferrer vögeln lassen.
Anya hielt sich die Ohren zu. »Sei verdammt noch mal still, Mimi.«
Du hast schon eine komische Art, deine Liebe zu zeigen, Anya. Lässt den, den du liebst, einfach allein in einem Krankenhausbett. Wahrscheinlich ist er auch ganz allein gestorben ... genauso allein, wie du enden wirst.
Katie bedachte sie mit einem Seitenblick. »Muss ich diese Vollmacht benutzen?«
Anya zog die Hand vom Gesicht und atmete tief durch. »Nein. Ich habe es unter Kontrolle.«
Mimi kicherte. Wenn sie wüsste, dass du längst nicht mehr unter Kontrolle bist ... sie würde dich in eine Gummizelle sperren.
Anya bohrte die Fingernägel in ihre Handflächen und starrte zum Fenster hinaus, bemühte sich, Mimi einfach abzuschalten. Sie überlegte, welche der vielen Sterne da oben wohl zu Draco gehören mochten und ob sie im ständigen Lichtschein der Stadt, in diesem Miasma von Menschen hervorgebrachten Lichts, überhaupt sichtbar waren.
Katie raste ohne anzuhalten zurück nach Detroit, bis sie im Parkhaus des Krankenhauses angelangt waren und der Zeiger der Tankuhr knapp oberhalb der Null hing. Anya rannte sofort zu dem Gehweg, der zum Krankenhaus führte, ehe Katie auch nur Gelegenheit hatte, den Wagen abzusperren. Sparky beeilte sich, um Schritt zu halten, und trampelte mit seinen kurzen Beinen so heftig über den mit Abfällen übersäten Betonweg wie Godzilla durch Tokyo.
Anya jagte die Korridore hinunter. Der Traum war in ihrem Kopf so frisch wie gerade umgegrabene Erde und schmeckte wie Asche auf ihrer Zunge. Sie ignorierte die Schwester, die sie warnte, sie solle langsamer laufen, wich hastig einem Speiserollwagen aus und dem Geist einer Frau, die mit einem Stofftier in den Armen den Gang hinunterspazierte. Der Geist achtete nicht auf sie, sondern riss dem Teddybären gemächlich ein Bein ab und pulte das Füllmaterial heraus.
Endlich hatte Anya die Intensivstation erreicht und kam schlitternd zum Stehen, doch als sie Jules und Max im Aufenthaltsraum erblickte, drohte die Panik sie zu überwältigen.
Jules hob mahnend eine Hand. »Anya, geh da nicht rein. Das willst du nicht sehen
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