Flammenzorn
...«
Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich und stürzte an ihm vorbei. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie den Vorhang zur Seite riss ...
... und einen unverstellten Blick auf Brians leuchtendes Hinterteil erhaschte, während die Schwester die Bettpfanne fortzog. Brian drehte sich um und warf einen finsteren Blick über die Schulter.
»Jesus Christus, Anya. Ich habe seit Tagen nicht ungestört gepinkelt. Gönn mir doch bitte ein bisschen Privatsphäre.«
Sie brach in Tränen aus, stieß die Schwester zur Seite und schlang die Arme um ihn. Seine stoppelige Wange fühlte sich an der ihren so warm an, er fühlte sich so herrlich an, so absolut lebendig.
Verwirrt strich Brian ihr über das Haar. »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
Sie setzte sich an den Rand des Betts und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich dachte, du wärst tot.«
Sparky sprang auf Brians Bett, und Brians Herzmonitor verzeichnete ein paar Ausfallerscheinungen, als Sparky weiter raufkletterte, um Brian schwanzwedelnd das Gesicht zu lecken.
»Pah! Ich habe ganz friedlich geschlafen und ein paar schräge Träume gehabt. Jules sagt, ich hätte mir den Kopf am Waschbecken angeschlagen. Keine heldenhafte Wunde für einen Geisterjäger.« Brian griff nach ihrem Kinn und drehte ihr Gesicht ins Licht. »Du dagegen, du siehst richtig beschissen aus.«
Sie lächelte, während sie ihn durch einen Tränenschleier beäugte und seine Hand tätschelte. »Mach dir um mich keine Sorgen. Erzähl mir lieber von deinen schrägen Träumen.«
Brian blickte blinzelnd zur Decke hinauf. »Ich habe geträumt, du und ich wären Eis essen gegangen.«
»Das hört sich nach einem netten und gar nicht schrägen Traum an.«
»Ja, war es auch. Bis der große Kürbis auf einer Harley angefahren kam und uns Kürbiskerne angeboten hat, die er aus meinem Kopf geschaufelt hat.« Er rieb sich den geschorenen Schädel. »Verdammt, ich bin kahl. Wird 'ne Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.«
Anya streichelte seinen Kopf. »Irgendwie ist das scharf. Fühlt sich an wie Klettband.«
Brian zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Ich werde schon irgendwie damit klarkommen. Vielleicht sollte ich mir eine Sonnenbrille zulegen.«
Anya schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich so, wie du bist. Ganz ohne Sonnenbrille.« Dann, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte, verstummte sie.
Brian grinste. »Tja, dafür hat sich das Aufwachen wirklich gelohnt.« Er griff nach ihrer Hand. »Was verschafft mir die Ehre?«
Sie schluckte. »Was du heute kannst besorgen, das veschiebe nicht auf morgen.«
Wir können nie wissen, wie viel Zeit irgendjemandem von uns noch bleibt, dachte sie.
Mimi schnaubte verächtlich: Achte die Minuten, Anya, denn sie werden dir bald durch die Finger rinnen, bis sie alle mir gehören.
Mimis Einfluss auf Anyas Träume wurde stärker.
Anya versuchte, so lange wie möglich wach zu bleiben und sah sich Dauerwerbesendungen zu irgendwelchen geheimnisvollen Wunderdingen an, die wechselweise versprachen, Jack the Rippers schmutzige Wäsche reinzuwaschen, unvorteilhafte Slipkonturen und Achselspeck gleichermaßen zu kaschieren und Haare zu locken oder zu glätten. Katie schnarchte auf der anderen Seite von Anyas Couch vor sich hin, nachdem sie dem Impuls nachgegeben hatte, ein Ding, das aussah wie eine Käsereibe, zu kaufen, um die Hornhaut an ihren Füßen abzuschälen. Sie versuchte sich den Kauf schönzureden, indem sie beschloss, das Ding zum Reiben von Muskatnüssen zu benutzen, sollte es sich am menschlichen Körper als untauglich erweisen.
Anya starrte ihre Haarspitzen an und überlegte ernsthaft, ob sie ihrem Haar mit einem Dampfhaarglätter eine so hübsche Tolle verpassen könnte, wie sie die Werbebotschafterin vor der Kamera präsentierte. Etwa zu der Zeit, zu der sie beschloss, dass es weder die Mühe noch den Zwanziger Wert war, noch ein Spielzeug zu kaufen, an dem Sparky mit Wonne herumnagen würde, schlummerte sie ein ...
Und stürzte kopfüber in den jahrhundertealten Brunnen, dem Mimis Träume entstammten.
Sie landete in tiefer Nacht. Dicke, warme Finsternis klebte wie Sirup an ihrer Haut. Wie in dem Traum von dem Priester war Anya auch jetzt nur Zuschauerin, der weiter nichts blieb als mitanzusehen, wie sich Mimis Erinnerung vor ihr ausbreitete und die klaren Wasser ihrer Träume befleckte wie Tinte.
Sie sah zu, wie eine Frau in längst vergangener Zeit durch dunkle Straßen schritt. Die Reifen an ihren Armen
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