Flammenzorn
gegenüber so anhänglich war. Sparky ließ sich auf die Seite fallen und kuschelte sich wie ein Heizkissen an den alten Mann.
»Soweit ich gehört habe, hatten du und Brian letzte Nacht ein bisschen Ärger.«
Anya verzog das Gesicht. Sie wollte den alten Mann nicht mit den Einzelheiten des Falls beunruhigen. Andererseits wuchsen ihr die Dinge gerade über den Kopf, und es gab sonst niemanden, dem sie bestimmte Fragen stellen konnte: Wie kann ein Mann Brandmale in Beton hinterlassen? Wie kann er in Flammen stehen, ohne einen Ton von sich zu geben?
Widerwillig erzählte sie ihm von den Symbolen im Boden und davon, dass der Brandstifter an den Tatort zurückkehrte. Sie sprach von dem gelben Licht, das in der Dunkelheit des Kellers geflackert hatte und dann zu einem ausgewachsenen Mann in Flammen geworden war.
»Die Sanitäter haben Brian vor Ort versorgt und entlassen. Sie haben gesagt, er hätte nur Verbrennungen ersten Grades davongetragen«, erzählte sie ihm schuldbewusst. Brian war verletzt worden, und dafür war sie verantwortlich. Sie starrte ihre Hände an.
Ciro berührte ihr Gesicht, und sie spürte, dass seine Finger zitterten. »Das ist nicht deine Schuld, Kindchen. Er kommt schon zurecht. Ich habe ihn heute Morgen gesehen. Der Junge hat einen schlimmen Sonnenbrand, aber das ist schon alles.«
»Aber es hätte auch viel schlimmer enden können«, gab Anya mit schwacher, angespannter Stimme zurück.
»Er hat dich gern. Stoß ihn nicht weg.«
Anya fixierte die Bettdecke und spielte mit einem Büschel gelber Fransen. »Ach, Ciro, ich habe eine lange Liste mit Leuten, die mir nahe waren und verletzt wurden - übel verletzt.«
Sie fühlte, wie Ciros Blick mit seiner ganzen Schwere auf ihr lastete. Die Worte kamen so schwer über ihre Lippen, als beichte sie vor einem Priester. Es dauerte lange, bis sie fertig war, aber Ciro wartete. Er lauschte aufmerksam - trotz all der Pausen und schleppenden Worte -, als sie einen Teil ihrer Schutzhülle fallenließ und ihm gestand, was ihr durch den Kopf ging.
»Mein Dad war weg, also gab es nur Mom und mich. Und Sparky. Er war bei uns, solange ich denken kann. Ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass ihn niemand außer Mom und mir sehen konnte ... meine Lehrer haben immer geglaubt, ich hätte imaginäre Freunde. Sie schickten meiner Mom Briefe wegen meiner wilden Fantasien.« Anya schüttelte den Kopf. »Wenn die gewusst hätten - Mary hatte ein kleines Lamm, das ihr zur Schule folgte, ich hatte einen Schlammteufel.
Meine Mom war sehr vorsichtig. Sie war die Sorte Mutter, die ihrem Kind die Halloween-Süßigkeiten wegnimmt und sie erst mal auf versteckte Rasierklingen untersucht. Ich musste immer einen Extrapulli tragen und Vitamin C nehmen. Bis zur fünften Klasse musste ich um sieben ins Bett. In meiner Erinnerung hat sie hier immer eine Sorgenfalte gehabt.« Anya zeigte auf die Stelle zwischen ihren Brauen. »Und ich wusste nie so genau, wovor sie sich fürchtete. Vor allem - vor nichts, ich hatte keine Ahnung. Aber ich hatte ständig ein schlechtes Gewissen, ob ich nun einfach im Park spazierengegangen bin oder mich zu lange in der Bibliothek aufgehalten habe ... sie hat sich ständig Sorgen um mich gemacht.
Ich glaube, deswegen hat sie mir Sparky mitgegeben. Vielleicht hat sie ihn schon gerufen, bevor ich geboren wurde, damit er mich beschützt. Ich habe das Gefühl, dass sie irgendwann in der Vergangenheit eine Art Handel geschlossen hat. Meines Wissens war sie keine Hexe oder Magierin ... wir sind sogar zweimal in der Woche zur Kirche gegangen. Wenn ich sie nach Sparky gefragt habe, hat sie immer gesagt, er sei mein Schutzengel. Was ja durchaus der Wahrheit entspricht. Doch in der Kirche gab es eine kleine Statue, die mir zu schaffen machte: der Heilige Georg, wie er den Drachen tötet. Ich habe nicht verstanden, warum der Heilige Georg jemandem wie Sparky wehtun wollte. Meine Mutter hat mir erklärt, dass dieser Drache nicht wie Sparky war ... dass er ein böser Drache war. Aber er hat mir trotzdem furchtbar leidgetan.
Wir haben in Hamtramck in einem Reihenhaus gewohnt. Dort habe ich auch meinen ersten Geist verschlungen. Es war der Geist einer Frau, die 1950 gestorben war: Sie trug ein gepunktetes Kleid und saß an einem Fenster im Obergeschoss. Ihr Haar war perfekt frisiert, die Lippen waren rot geschminkt. Sie hat nie gesprochen, sondern immer die Straße beobachtet, so als würde sie auf jemanden warten. Ich weiß noch, dass sie mir so
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