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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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anderen. An den Wänden entlang standen Holzschränke, die wie Bücherregale aufgebaut waren. In den Fächern befanden sich Flaschen, gefüllt mit bunten Likören und glänzend in dem Licht, das durch das Spiegelglas hinter ihnen reflektiert wurde.
    In der Mitte der Kneipe stand eine Badewanne aus der Zeit der Jahrhundertwende, in der man einst Gin gebraut hatte. Nun war sie mit Pennys gefüllt. Wie Kinder, die Münzen in einen Brunnen warfen, trugen die Stammgäste ihre Wünsche der Teufelswanne vor. Anya wusste nicht, wie viele dieser Wünsche in Erfüllung gingen, aber Ciros Gäste ließen sich nicht davon abhalten, immer wieder ihr Glück zu versuchen. Sie warf eine Münze in die Wanne und schickte den Wunsch mit, es möge dem alten Mann bald besser gehen.
    »Wie schlägt er sich?«
    Eine verführerisch klingende Stimme kam aus der Wanne. Gleich darauf streckte sich ein langes Frauenbein über den Rand und dann blickte Anya in zwei schwarz umrandete Augen. Es war der Geist einer jungen Frau aus den Zwanzigerjahren. Sie hatte den schick gefiederten Hut keck über ein Ohr gezogen und spielte nervös mit ihrer Perlenkette.
    Anya zog einen Stuhl an die Badewanne heran. »Hi, Renee.« Sparky rollte sich ungerührt unter dem Stuhl zusammen. Er kannte Renee; Anya glaubte, dass er sie besonders gern hatte, weil sie immer nach Rauch roch und es ihm Spaß machte, mit den Fransen am Saum ihres Kleides zu spielen.
    Renee war einst Sängerin in dem illegalen Etablissement gewesen, bis eine Razzia von der Bundesbehörde schrecklich schiefging. Doch Renees Lebenslust hatte trotz dieser schlimmen Erfahrung auch nach ihrem Tod nicht nachgelassen. Sie leistete Ciro schon seit Jahrzehnten in der Bar Gesellschaft. Ciro hätte sie schon längst exorzieren können, aber er ließ sie gewähren, nachdem sie ihn mal unter Tränen angefleht hatte, sie nicht auf die Straße zu setzen. Dem alten Mann machten ihre Streiche wenig aus, und sie hatte Freude daran. Aus dem Augenwinkel sah Anya eine Reihe auf dem Kopf stehender Gläser hinter dem Tresen, und sie fragte sich, ob das ein Versuch Renees war, um den alten Mann aufzuheitern.
    Renees dunkle Augen glänzten unter einem dichten Wimpernkranz. »Ich will nicht, dass Ciro geht. Ohne ihn wäre ich so einsam.« Ihre geschwungenen Lippen bebten.
    Anya kam sich etwas albern dabei vor, einen Geist zu trösten. »Er ruht sich nur aus, Renee.«
    Renee senkte den Kopf. »Heute Abend werde ich etwas für ihn singen. Dann fühlt er sich vielleicht besser.«
    »Das hilft immer.« Anya glaubte, noch mehr als die schlichte Sorge um den alten Mann wahrzunehmen. »Was ist los?«
    Der Geist der Sängerin spielte weiter mit den Perlen. »Ich höre Dinge von anderen Geistern.«
    Anya nahm an, dass viele der geselligeren Geister Mittel und Wege fanden, um miteinander zu sprechen. Und Renee war im Leben ein sehr geselliger Schmetterling gewesen; nichts anderes dürfte sie im Tode sein. »Was hast du gehört?«
    »Dass etwas wirklich Schlimmes bevorsteht.« Renee versank bis zur Nase in den Münzen. »Jemand frisst Geister. Ohne jeden Grund und ohne eine Rechtfertigung.«
    »Was meinst du damit?«
    Renee zeigte mit ihrem Finger, an dem ein Markasitring prangte, auf Anya. »Du holst nur Geister, die schädlich sind. Und böse. Solche, die unter den Lebenden nicht willkommen sind. Aber da draußen ist jemand, der Geister holt, die sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und niemandem wehtun.«
    Anya runzelte die Stirn. Die andere Laterne. »Warum?«
    »Das weiß niemand.«
    »Wo passiert das?« Vielleicht konnte sie so einen Hinweis auf den Schlupfwinkel der anderen Laterne bekommen.
    »Überall. Angeblich hat er an einem Nachmittag sämtliche Geister in der Bibliothek gefressen.« Renees Augen wurden riesengroß. »So sagt man.«
    Anya grübelte. Ihr Brandstifter hatte nicht nur Freude am Feuer, er fraß auch gern Geister ... so wie er Virgil gefressen hatte. Aber warum?
    »Mach dir keine Sorgen, Renee«, sagte Anya ernst. »Ciro ist ein mächtiger Dämonologe. Er wird dich beschützen.«
    Renee ließ sich langsam tiefer in den See aus Münzen sinken, und in ihren Augen lag ein Ausdruck unermesslicher Trauer. »Ich hoffe, das kann er.«
    »Das hoffe ich auch«, flüsterte Anya, während Renee versank. Sie konnte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn Ciro starb - was würde aus den DAGR werden, wie sollte es weitergehen, wenn sie sich nicht mehr auf sein Wissen verlassen konnten? Der Gedanke

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