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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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sie wenige Tage zuvor besucht hatte. St. Florian hatte seine traditionelle gotische Architektur bewahrt, und rote und goldene Teppiche verliehen dem Gebäude eine besondere Wärme. Die dunklen Holzbänke waren blank poliert und glänzten, und die Buntglasfenster warfen violette Schatten auf die goldfarbenen Sandsteinfliesen an den Wänden. Farbenfrohe Darstellungen von Heiligen besetzten die Nischen, bekränzt mit einem wilden Durcheinander gelber und roter Blumen. Im Gegensatz zu der Kathedrale fühlte sich dieser Ort gemütlich und vertraut an. Der ironische Aspekt, der sich daraus ergab, dass St. Florian der Schutzpatron der Feuerwehrleute war, war Anya durchaus bewusst.
    Dies war die Kirche, in die ihre Mutter Anya als Kind mitgenommen hatte; dies war die Kirche, in der die Beerdigungsfeierlichkeiten für ihre Mutter stattgefunden hatten; und dies war der Pfarrer, der versucht hatte, Anya nach dem Tod ihrer Mutter zu trösten. Anya war erstaunt, dass er immer noch in der Gemeinde aktiv war, und schockiert, dass er sich an sie erinnerte und seinen Terminplan umgeworfen hatte, um sie so kurzfristig zu treffen. Die ganze Nacht lang hatte Anya die Zimmerdecke angestarrt, unwillig zu schlafen aus Furcht, Mimi könnte in ihre Träume eindringen. Es hatte sie überrascht, dass Pfarrer Mark persönlich um sieben Uhr morgens den Hörer abnahm, obwohl sie die Nummer des Sekretariats gewählt hatte.
    »Aber natürlich.« Pfarrer Mark faltete die krummen Hände über seinen Knien. Er war vollkommen kahl und vom Alter gebeugt, aber in seinen Augen lag immer noch der Glanz der Zuversicht. »Ich erinnere mich an Sie. Sie waren das kleine Mädchen, das nicht mehr sprechen wollte, nachdem seine Mutter gestorben war.«
    Anya blickte hinüber zu dem vergoldeten Altar, der nahezu unter den roten und orangefarbenen Blumen verschwand. Sie hoffte, der Schatten dieses heiligen Ortes, der nun auf sie fiel, wäre imstande, die Saat der Finsternis zu entfernen, die sie in ihrer Brust heranwachsen spürte. Vielleicht war diese Saat schon seit langer Zeit dort, aber nun fühlte sie, dass sie sich regte, dass sie heranwuchs, und dass sie jemanden brauchte, der ihr zeigte, wie sie sie herausreißen konnte. »Ich habe lange Zeit die Schuld für ihren Tod mit mir herumgetragen, Hochwürden. Ich fürchte, das hat mein Leben in vielfacher Hinsicht überschattet, und nun glaube ich allmählich, dass die Kontrolle über mein Leben doch nicht so voll und ganz in meinen Händen liegt.«
    Pfarrer Mark schwieg, während sie beichtete, was mit ihrer Mutter passiert war; wie sie durch Anyas Ungehorsam ums Leben gekommen war. Die Schuld hatte ihr Herz in einen fruchtbaren Boden für so viele Tragödien verwandelt: der sorglose Raub der Geister, die Abwehr der Liebe. Vielleicht hatte sie sogar eine Tür für Mimi aufgestoßen. Von diesen Dingen erzählte sie dem Pfarrer nichts, sie berichtete nur von der großen, furchtbaren Finsternis, die sie auf sich lasten spürte. Sie erzählte ihm von dem Brandstifter und davon, dass er so unerreichbar schien und dass sie fürchtete, er würde immer weiter machen, wenn niemand ihn aufhielt.
    Sie erzählte ihm sogar von den DAGR, aber nur in groben Zügen, und sie erwähnte, dass sie sich von ihnen gelöst hatte. Anya berichtete, dass sie eine furchtbar unangenehme Präsenz spürte, seit sie gegangen war, und von ihrer Furcht, Überreste ihrer früheren Arbeit könnten an ihr hängen geblieben sein.
    Anya verriet ihm, was sie noch nie irgendjemandem offenbart hatte: dass sie Angst hatte. Angst, sie könnte den Brandstifter nicht rechtzeitig erwischen. Angst, Brian würde nicht mehr aus dem Koma erwachen. Angst, allein zu sein, nicht geliebt zu werden, nicht liebenswert zu sein.
    Hoch oben in der Gewölbedecke flatterte ein Vogel, der irgendwie in die Kirche geraten war, von links nach rechts; er suchte nach einem Weg nach draußen und schlug mit den Flügeln gegen die gleichgültigen, leuchtenden Glasscheiben. Anya beobachtete ihn, während sie sprach.
    Der Pfarrer folgte ihrem Blick. »Er wird einen Weg nach draußen finden. Das tun sie immer. Und Sie werden auch einen Weg finden.«
    »Wäre es zu viel verlangt, wenn ich Sie um Ihren Segen bitte, Hochwürden?« Die Worte brannten fast in ihrer ausgedörrten Kehle. Um so etwas hatte sie noch nie gebeten, und sie war überzeugt, der Pfarrer würde sie abweisen und ihr sagen, sie solle erst an einem religiösen Einführungsunterricht teilnehmen oder nächstes Mal zur

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