Flammenzorn
wenn sie dazu ein Kleid anziehen musste.
KAPITEL DREIZEHN
Gute Ermittlungsarbeit forderte bisweilen große Opfer, doch ein größeres als dieses hatte Anya noch nie bringen müssen.
Sie stand vor einem Dreifachspiegel in einer Boutique, die sich scheinbar ganz der Farbe Pink verschrieben hatte. Ihre Socken hingen an ihren Knöcheln, ihre Beine waren unrasiert, und sie versuchte, die Verkäuferin zu überreden, sie möge ihr doch ein Kleid verkaufen, das die Bandagen bis zu ihren Achselhöhlen bedeckte. Derzeit steckte sie in einem orangeroten Kleid mit einem Blumensträußchen aus Stoff an der Schulter, das aussah, als hätte sich ein Verkehrsleitkegel über sie übergeben. Sparky stand neben ihr vor dem Spiegel und betrachtete, wie sein Schwanz aus drei verschiedenen Perspektiven aussah, wenn er damit wedelte.
»Hören Sie, ich habe kein Interesse an einem Ballkleid«, sagte Anya. »Alles, was ich will, ist ein schlichtes Kleid für Erwachsene. Eins in Schwarz.«
Die Verkäuferin verschränkte die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen. Sie war eine Dörrpflaume von einer Frau mit kurz geschnittenem Haar und einem absoluten Übermaß an Eyeliner. »Ich fürchte, ich habe nichts, was wirklich zu Ihnen passt, meine Liebe.«
Anyas Brauen ruckten gen Haaransatz. »Was zum Teufel soll das heißen?«
»Das heißt«, entgegnete die Verkäuferin, »dass wir derzeit nichts anderes in Ihrer Größe haben.«
»Ich trage Größe S«, verkündete Anya eisig.
»Aber natürlich, Gnädigste«, flötete die Verkäuferin, und ihre Lippen krümmten sich zu einem herablassenden Lächeln.
»Dieses Ungetüm können Sie behalten.« Anya riss sich das Kleid über den Kopf, ohne Rücksicht auf die Pailletten zu nehmen. Dann warf sie es der Verkäuferin in die Arme und stolzierte zurück in die Umkleidekabine, um ihre eigenen Kleider wieder anzulegen. Während sie davonstürmte, gestattete sie der Verkäuferin einen ausgiebigen Blick auf ihr schwarzes Höschen und den gerade geschnittenen Büstenhalter. Die schwarzen Männersocken verliehen dem Gesamtbild eine besondere Note.
Als sie die Kabine verließ, war die Verkäuferin noch damit beschäftigt, das orangefarbene Kleid auf seinem Bügel wieder zurechtzuzupfen.
»Kein Grund, beleidigt zu sein, meine Liebe«, sagte die Verkäuferin.
Anya grinste sie spöttisch an. »Und für Sie gab es keinen Grund, sich wie ein totales Miststück zu benehmen.«
Dann stürmte sie hinaus auf den Gehsteig und schlug die Tür hinter sich zu. Sparky watschelte verwirrt hinter ihr her. Ihr Geduldsfaden wurde in jüngster Zeit immer kürzer, und sie hatte schwer damit zu tun, ihren Beißreflex unter Kontrolle zu halten.
»Ich habe Größe S«, brummte Anya ihm zu, was ihr einen argwöhnischen Blick eines Passanten eintrug. »Das steht jedenfalls auf der Innenseite meiner Hose.«
Anya gingen die Alternativen aus. Es war fünf Uhr durch, und die Geschäfte in der Innenstadt schlossen bereits die Türen. Aber sie brauchte ein verdammtes Kleid, und das zügig. Wie schwer konnte das denn sein? Jesus, schließlich war sie nicht auf der Suche nach einem Badeanzug.
Vor einem Schaufenster voller exotischer Dessous hielt sie inne. Die Puppen, die in dem Fenster vor einem Samtvorhang posierten, trugen knappe Bustiers, Miniröcke und grobe Netzstrümpfe. Einige megahohe Porno-Pumps baumelten an Bändern von der Decke. Aber in dem Laden brannte noch Licht.
Anya warf einen Blick auf das Schild. Der Laden nannte sich Wild Walt's Leather 'n' Lace.
Zum Teufel.
Sie öffnete die Tür und wurde beinahe erschlagen von dem Geruch nach Patchouli und Lederöl. Kisten mit hüfthohen Stiefeln und Bikerboots säumten die Wände, Ständer mit Kleidern, die beinahe ausschließlich aus Bändern und Schnallen bestanden, waren neben der Tür. Eine junge Verkäuferin blickte von ihrem Platz am Verkaufstresen auf. Das lange schwarze Haar trug sie zu Zöpfen gebunden, und ihre Lippe war gepierct mit einer Kette, die bis zum Ohr reichte. Sie bildete gewissermaßen den Gegenpol zu der Dörrpflaume in der Boutique.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Bitte, ja. Ich brauche ein Kleid.«
»Gut. Welche Art Kleid?«
»Etwas Schwarzes. Etwas, das das hier verdeckt.« Anya schüttelte die Bluse ein wenig herunter, um ihr die Verbände zu zeigen, die am Ausschnitt hervorlugten.
»Neues Tattoo?«, fragte die Verkäuferin.
»Äh, ja. Misslungenes neues Tattoo.«
»Kein Problem.« Die Verkäuferin sprang über den Tresen,
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