Flammenzungen
hatte. Jeden Morgen huschte sie nun flink wie ein Wiesel in das Gebäude hinein, und am Abend stürmte sie zu ihrem Wagen, als würde es aus Kübeln schütten und sie vermeiden wollen, nass zu werden. Aber immerhin meisterte sie ihr Leben wieder allein. Vorübergehend hatten ihre Eltern für sie eingekauft, nun übernahm sie das wieder selbst. Allerdings mied sie Acadiana Groceries. So gern sie den kleinen Cajun-Supermarkt in ihrer Heimatgemeinde unterstützte, sie schaffte es nicht einmal, vor der Tür zu parken und auszusteigen. Begleitet von schlechtem Gewissen fuhr sie nun zu Walmart in Elmwoöd.
Es ärgerte Amy, dass der maskierte Angreifer ihren Alltag nachhaltig verändert hatte. Den Spaß am Leben würde er ihr allerdings nicht nehmen. Energisch trank sie ihren Mojito aus, schlenderte zur Bar und bestellte sich einen neuen Drink. Während sie wartete, beobachtete sie kopfschüttelnd Skyler, der einen Country-and-Western-Song zum Besten gab und auf Macho-Cowboy machte, dabei jedoch so liebenswert dümmlich guckte wie Kevin James in seinen Komödien. Dieser muskulöse Kerl hatte kein Problem damit, sich zum Affen zu machen. Beneidenswert, fand Amy und lächelte. Nun war sie doch froh, mitgekommen zu sein.
Nur die Anmachversuche der Männer nervten sie. Jetzt drängte sich schon wieder ein Kerl neben sie an die Theke, als wäre die Bar klein wie eine Briefmarke, und grinste sie an. Ihr stand nicht der Sinn nach flirten. Sollte jemand sie antatschen, konnte sie für nichts garantieren. Den Revolver ihres Großvaters hatte sie zwar zu Hause gelassen, weil ihr Cousin sie beschützte, aber Fäuste, Fingernägel und Knie wusste sie durchaus effektiv einzusetzen, das hatte sie bewiesen.
„He, grabsch meine Freundin nicht an!“ Plötzlich packte eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren den Typen und zerrte ihn am Oberhemd von Amy weg. Die Fremde schmiegte sich eng an sie, legte einen Arm um ihre Hüften und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Der Mann hob entschuldigend beide Hände und räumte das Feld.
Völlig perplex blieb Amy stocksteif stehen. „Danke.“ „Nicht du, sondern er sollte mir danken.“ Die Frau ließ etwas Luft zwischen ihnen, aber da sie eingeklemmt zwischen zwei Barhockern standen, waren sie immer noch nah beieinander. „Du hast ausgesehen, als wolltest du ihn jeden Moment mit Haut und Haaren fressen. Ich habe ihn vor dir gerettet.“
„So schlimm?“
„Zum Fürchten! Mich hat’s angemacht.“ Sie zwinkerte. Die stumpfen Rasierklingen, die sie als Ohrringe trug, baumelten hin und her. „Ich heiße Dixie.“
Amy ging ein Licht auf. „Oh, ich glaube, du siehst da etwas falsch. Ich bin nicht... “
„Lesbisch? Ich schon.“ Noch immer lag ihre Hand an Amys Taille.
„Ich möchte gerade nur in Ruhe gelassen werden.“ Da sich Dixies Blick trübte, fügte sie rasch hinzu: „Von Kerlen! “ „Hast du gerade eine Beziehung beendet?“
„Sagen wir mal, ich hatte eine unschöne Begegnung mit einem besonders widerlichen Exemplar.“ Mehr wollte Amy nicht preisgeben. Sie hatte sich vorgenommen, nach vorn zu schauen. Es war auch nicht so, das? sie alle Kerle dieser Welt verabscheute. Aber sie brauchte etwas Zeit, bevor sie sich wieder von einem Mann anfassen lassen konnte. Dixies Berührung dagegen machte ihr nichts aus. Sie löste sogar ein leichtes Prickeln aus, was aber auch am Alkohol liegen mochte oder daran, wie die junge Frau sie ansah. Verlangend, aber nicht gierig, sondern vielmehr kess.
„Coole Frisur.“ Mit der Handfläche streifte sie Dixies weiße Haarspitzen, die mithilfe von Gel von ihrem Kopf abstanden, als hätte der Wind sie zerzaust. „Dixie ist aber nicht dein richtiger Name, oder?“
Ihr Gegenüber neigte sich vor. Dixie kam ihr so nah, dass ihr Atem Amys Wange kitzelte, als sie flüsterte: „Er lautet Bobby Sue, aber verrate es niemandem. Das ist wohl der scheußlichste, altmodischste Name in den ganzen Südstaaten. Er klingt nach Unsere kleine Farm, Laura Ingalls Wilder und so weiter, nach einer erwachsenen Frau mit Affenschaukeln, die jeden Sonntag mit ihren Eltern in die Kirche geht. Aber ich schlafe lieber aus.“ Sie zuckte die Achseln. „Ich habe meine Haare abgeschnitten und mich umbenannt. Dass ich auf Frauen stehe, hat aber nichts mit Protest zu tun. Ich stehe einfach auf Brüste und Mösen.“
Amy hätte sich beinahe an ihrer eigenen Spucke verschluckt.
Dixie lehnte sich nicht wieder zurück. Sie blieb dicht vor Amy stehen und raubte ihr
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