Flandry 1: Im Dienst der Erde
Geschwätz!«, fuhr er sie an. »Glaubst du denn, ich schere mich ausgerechnet jetzt auch nur ein bisschen um deine kleinen schmutzigen Seitensprünge?«
»Was ist geschehen?«, fragte Flandry in scharfem Ton.
Hauksberg wandte sich zu ihm um und besah ihn eine ganze Minute lang von oben bis unten. »Ich frage mich, ob Sie wirklich so ahnungslos sind«, sagte er schließlich. »Das frage ich mich sogar sehr.«
»Mylord, ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen!« Flandrys Gedanken überschlugen sich. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
»Als die Nachricht nach Dhangodhan gelangte, sind wir natürlich sofort zurückgeflogen«, sagte Hauksberg. »Nach Abrams wird gefahndet, auf meine Anweisung hin. Aber Sie … Wo kommen Sie ins Spiel?«
Ich muss hier raus. Abrams’ Agent muss mich erreichen können. »Ich weiß gar nichts, Mylord. Ich melde mich in meiner Kammer.«
»Halt!«
Persis saß auf dem Bett, das Gesicht in den Händen, und schluchzte. Sie war kaum zu hören.
»Bleiben Sie stehen«, sagte Hauksberg. »Keinen Schritt weiter, verstanden?« Er zog die Waffe. Rückwärts wich er aus dem Schlafzimmer zurück, wobei er Flandry in Sicht hielt, und ging ans Visifon. »Hm. Abgeschaltet, wie?« Er legte den Schalter um. »Lord Oliveira.«
Das Schweigen lastete schwer auf ihnen, während das Visifon Jagd durch seine diversen Abtasteranschlüsse machte. Dann baute sich das Bild langsam auf, und schließlich blickte der Botschafter aus dem Schirm. »Hauksberg! Wie zum Teufel kommen Sie hierher?«
»Ich bin gerade zurückgekommen«, antwortete der Viscount. »Wir hörten von einem Versuch, Premierminister Brechdans Datenarchiv zu plündern. Es könnte sogar ein erfolgreicher Versuch gewesen sein; der Agent ist entkommen. Der Premierminister hat mich beschuldigt, die Finger dabei im Spiel gehabt zu haben. Das liegt ja auch nahe. Jemand sabotiert meine Mission.«
»Ich …« Oliveira rang um Fassung. »Nicht unbedingt. Schließlich ist Terra nicht der einzige Rivale Merseias.«
»Darauf habe ich bereits hingewiesen. Trotzdem müssen wir unsere Kooperationsbereitschaft voll unter Beweis stellen. Ich habe die Merseianer ermächtigt, Commander Abrams festzunehmen. Man wird ihn hierher zurückbringen. Stellen Sie ihn unter Bewachung.«
»Lord Hauksberg! Er ist ein Offizier des Imperiums und im diplomatischen Korps akkreditiert.«
»Er wird in terranischer Haft gehalten. Aufgrund meines mir von Seiner Majestät verliehenen Patents übernehme ich den Befehl. Keine Widerrede, es sei denn, Sie möchten von Ihren Aufgaben entbunden werden.«
Oliveira wurde kreidebleich, aber er verbeugte sich. »Sehr wohl, Mylord. Ich muss um eine offizielle Aufzeichnung Ihrer Anweisung bitten.«
»Die bekommen Sie, sobald ich Zeit finde. Als Nächstes dieser junge Bursche, Flandry, Abrams’ Assistent. Zufällig habe ich ihn in Gewahrsam. Ich denke, ich werde ihn ein Weilchen persönlich verhören. Aber stellen Sie zwei Leute ab, die ihn in die Arrestzelle bringen, sobald ich mit ihm fertig bin. Inzwischen alarmieren Sie Ihre Leute und fangen an, Pläne, Erklärungen und Dementi vorzubereiten. Richten Sie sich auf einen Besuch aus Brechdans Außenministerium ein.«
Hauksberg trennte die Verbindung. »Genug«, sagte er. »Kommen Sie raus, und reden Sie.«
Flandry ging zu ihm. Er kam sich vor wie in einem Albtraum. Im Hinterkopf dachte er immer wieder: Abrams hat Recht. Bei diesen Dingen kann man auf jegliche dramatische Zuspitzung sehr gut verzichten.
Was wird aus ihm?
Und was aus mir? Aus Persis? Aus Terra?
»Setzen.« Hauksberg wies mit dem Strahler auf ein Sofa und richtete zugleich den Lauf nach oben. Mit der freien Hand zog er eine flache Schachtel aus seiner Jackentasche. Er wirkte recht entspannt. Begann er, die Szene zu genießen?
Flandry setzte sich. Man ist psychologisch im Nachteil, wenn man nach oben blicken muss. Jawohl, wir haben Seine Lordschaft schwer unterschätzt. Persis stand mit verweinten Augen in der Tür. Sie hatte sich die Arme um die Schultern geschlungen und schluckte.
Hauksberg öffnete die Schachtel – ungebärdig nahm Flandry wahr, wie das gepunzte Silber unter dem Deckenfluoro glänzte – und klemmte sich einen Stumpen zwischen die Zähne. »Welche Rolle spielen Sie in dieser Komödie?«, fragte er.
»G …gar keine, Mylord«, stammelte Flandry. »Ich weiß gar nicht … Ich meine, wenn … wenn ich mit drinstecken würde, wäre ich dann heute Nacht hier?«
»Vielleicht.« Hauksberg
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