Flandry 4: Ehrenwerte Feinde

Planeten schmuggeln? Wir könnten Agenten nach Ulan Baligh schicken.«
    »Dem Khan wird die gleiche Idee kommen. Er wird dafür sorgen, dass niemand, dessen Loyalität er nicht ganz sicher ist, Kontakt zu irgendeinem Beteigeuzer hat, und alles, was den Planeten verlässt, mit äußerster Sorgfalt durchsehen.«
    »Schreibe den Brief in der terranischen Sprache.«
    »Die kann er selbst lesen, wenn auch sonst niemand auf dieser Welt.«
    »O nein.« Bourtai stützte sich auf einen Ellbogen. »Auf ganz Altai gibt es keinen Menschen außer dir, der – wie nennst du es gleich? – das Anglisch lesen kann. Einige Beteigeuzer natürlich, aber kein Altaianer hat es je erlernt; es schien keinen zwingenden Grund dafür zu geben. Oleg kann nur Altaianisch und die beteigeuzische Hauptsprache lesen. Ich weiß das, denn er hat es mir vor nicht allzu langer Zeit eines Nachts selbst gesagt.« Sie sprach recht kühl über das zurückliegende Jahr. Flandry wusste mittlerweile, dass Haremssklavin gewesen zu sein, in dieser Kultur keine Schande bedeutete, sondern ein übliches Kriegsschicksal war.
    »Noch schlimmer«, sagte er. »Es sähe Olegs Agenten nicht ähnlich, wenn sie ein Schriftstück in einem unbekannten Alphabet hinausgelangen ließen. Vielmehr bezweifele ich sehr, dass sie bis zu dem Moment, wo ich ganz gewiss tot bin, irgendjemanden, dessen sie sich nicht absolut sicher sind, in die Nähe eines Raumschiffs oder eines Raumfahrers kommen lassen.«
    Bourtai setzte sich gerade auf. Unversehens verschwamm ihr Blick unter plötzlichen Tränen. »Aber du kannst nicht hilflos sein!«, weinte sie. »Du bist von Terra!«
    Flandry wollte ihr nicht die Illusionen rauben. »Wir werden sehen.« Rasch pflückte er einen Grashalm und kaute darauf. »Das schmeckt fast wie zu Hause. Bemerkenswerte Ähnlichkeit.«
    »Oh, aber es stammt auch von Terra.« Bourtais Bestürzung wechselte sprunghaft zu simplem Erstaunen, weil er etwas nicht wusste, das für sie so alltäglich war. »Die ersten Kolonisten hier fanden die Steppe als fast völlige Wüste vor. Es gab nur wenige Pflanzenarten, die überdies für Menschen giftig waren. Alles andere einheimische Leben hatte sich in die Arktis und Antarktis zurückgezogen. Unsere Ahnen mutierten die Samen und kleinen Tiere, die sie mitgebracht hatten, schufen geeignete Rassen und setzten sie frei. Binnen kurzem übernahm eine erdähnliche Ökologie den gesamten Taugürtel.«
    Flandry fiel nicht zum ersten Mal auf, dass das Nomadendasein Bourtai keineswegs zur Barbarin gemacht hatte. Hm, es wäre höchst interessant zu sehen, wie eine echte Zivilisation auf Rädern wäre … Wenn er überlebte, was zu bezweifeln stand … Er war zu müde, um sich zu konzentrieren. Seine Gedanken schweiften ab zu einem Gemenge aus Tatsachen und Schlussfolgerungen, hauptsächlich Dingen, die er bereits wusste.
    Krasna war offensichtlich eine alte Sonne, im Mittelfeld der Population II, und aus dem galaktischen Zentrum in diesen Spiralarm gedriftet. Als solche war sie – und damit auch ihre Planeten – arm an schweren Elementen, die in Sternen erst gebildet wurden, wenn diese zu Supernovae wurden, und sich in der nächsten stellaren Generation ansammelten. Kleiner als Sol, war Krasna langsam gealtert und für den Großteil seiner Existenz ein roter Zwerg gewesen.
    Anfangs, während der ersten Jahrmilliarde seiner Existenz, hatten auf Altai durch die Hitze seines Kerns mehr oder weniger erdähnliche Temperaturen geherrscht. In flachen Seen hatte sich protoplasmisches Leben entwickelt, und wahrscheinlich waren die ersten primitiven Landformen entstanden. Doch als die Schmelze erstarrt und die meiste Radioaktivität verbraucht war, spendete nur noch die trübe Sonne Wärme. Altai gefror. Der Vorgang war so langsam erfolgt, dass das Leben Zeit hatte, sich während der langen Periode des Wechsels an die neuen Verhältnisse anzupassen.
    Und dann, während wer weiß wie viele Megajahrhunderte verstrichen, war Altai von Pol zu Pol von Eis bedeckt gewesen. Eine alte, alte Welt, so alt, dass ein Mond ihr schließlich so nahe gekommen war, dass er zerbrach und die Ringe bildete; so alt sogar, dass seine Sonne das Stadium des Wasserstoffbrennens im Zentrum abgeschlossen hatte und ins nächste übergetreten war: Die Wasserstoffkerne verschmolzen nun nur noch in einer Schale an der Oberfläche des Heliumkerns in ihrem Innern. Im Laufe der nächsten Millionen Jahre war Krasna größer, heißer und heller geworden, und dieser Prozess, die