Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
würde, aber ich konnte dabei lernen. Dachte ich.«
»Trink etwas«, sagte Flandry und goss seinem Gast Arrak in die Tasse. »Was ist passiert?«
Djuanda wollte nicht weitererzählen. Es dauerte etliche Minuten und zahlreiche Schlucke von nunmehr hochprozentigem Tee, bis sein Widerstand zusammenbrach und er zugab, dass man ihn übers Ohr gehauen hatte. Die Stelle hatte der Beschreibung entsprochen – aber er musste seine Ausrüstung wie etwa das Atemgerät aus der Schlappkiste [1] der Firma kaufen, zu Preisen, bei denen es einem schwindelte. Ehe er sich es versah, hatte er Schulden. Jemand nahm ihn mit auf eine Sauftour, damit er seine Sorgen vergaß, und lockte ihn in ein Nepplokal, wo gespielt wurde. Djuanda verlor nicht nur alles, was er besaß, sondern er musste sich bei einem Kredithai Geld leihen, um seine Verluste zurückzugewinnen, und diese Summe verlor er ebenfalls. Am Ende sah er sich der Aussicht gegenüber, zu dem Kredithai zurückzukriechen, um sich zehn Silbermünzen für die nächste Kapsel zu leihen.
»Konntest du nicht nach Hause schreiben und um Hilfe bitten?«, fragte Flandry.
Das unreife Gesicht wurde steif vor Stolz. »Ich hatte mich dem Willen meines Vaters widersetzt, Tuan. Vor den Ohren des ganzen Stammes hatte ich gesagt, dass ich nun Manns genug sei, mich um mich selbst zu kümmern. Wenn ich nicht wenigstens aus eigener Kraft nach Hause zurückkehrte, musste seine Würde genauso leiden wie die meine. Nein. Ich fand einen anderen strebsamen jungen Mann – die Götter mögen Mitleid mit ihm haben –, der auf meine Stellung aus war und mir etwas dafür zahlen konnte. Ich verkaufte alles, was ich besaß. Es reichte immer noch nicht. Ich ging zum Apotheker, und dem sagte ich, für fünfzig Goldmünzen könne er meine letzte Pille behalten und sie als ausgegeben verbuchen. Er wollte mir nur fünf geben.« Wiederverkaufswert auf dem Schwarzmarkt: einhundert Goldmünzen, erinnerte sich Flandry. Das arme Landei aus Ranau wusste nicht, was Feilschen hieß. »Also konnte ich keine Heimfahrt bezahlen«, fuhr der Junge fort; »aber wenigstens hatte ich nun genug Geld, um meinen Namen von der Schuld zu reinigen. Ich warf dem Geldverleiher die Münzen ins Gesicht. Dann versuchte ich tagelang, eine andere Stelle zu finden, egal welche, aber ich konnte nur als Sklave Arbeit bekommen. Kein Mann aus Ranau ist je ein Sklave gewesen. Deshalb wollte ich wenigstens in Ehre sterben. Aber dann kamen Sie, Tuan. Deshalb nehme ich an, die Götter wollten mich noch nicht«, beendete Djuanda naiv seinen Bericht.
»Verstehe.« Um sein Bedürfnis nach einer Denkpause zu kaschieren – und auch das des Jungen –, hob Flandry die Tasse. »Verwirrung über alle Geldverleiher!«
»Verdammnis über die Bioaufsicht«, erwiderte Djuanda und stieß leise auf.
»Wie bitte?« Flandry setzte die Tasse ab und starrte ihn an.
»Nichts!« Angst stieg in die dunklen, flüssig wirkenden Augen. »Nichts, Tuan! Ich habe kein Wort gesagt!«
Da müsste man vielleicht nachhaken, dachte Flandry aufgeregt. Ich frage mich, was zum Teufel ich mit dem Jungen anstellen soll … Ich kann ihn schließlich nicht mitschleppen, während seine großen feuchten Ohren im Wind flattern; nicht solange man es noch auf meinen Skalp abgesehen hat. Aber dadurch ist er vielleicht ein Glücksfund: der erste Pulao, der auch nur ein Wort gegen die Bioaufsicht gesagt hat. Er ist zu jung, um von alleine darauf gekommen zu sein. Also … irgendwo in seinem Heimatdorf gibt es wenigstens eine ältere Person – wahrscheinlich mehr –, die Tagträume von der Revolution hegt …
Die Suppe kam. Djuanda vergaß sein Entsetzen und stürzte sich darauf. Flandry schenkte Arrak nach und aß in gemächlicherem Tempo. Während sie auf den Hauptgang warteten, sagte er beiläufig: »Von Ranau habe ich noch nie gehört. Erzähl mir davon …«
Eine Reistafel ist, wenn sie richtig zubereitet wird, ein üppiges Mahl, zu dessen Verzehr man zwei, drei Stunden braucht. Danach gab es Sorbet mit noch mehr Tee und Arrak. Ein umherziehendes Tänzerpaar kam herbei, um sich einige Kupfermünzen zu verdienen, indem es den reichen Herrn unterhielt. Ein weiterer Krug Arrak schien angezeigt. Ein Zuprosten folgte in endloser Reihe auf das andere.
Die weiße Sonne stieg zum Zenit und überschritt ihn. Schatten erhoben sich unter dem Berg. Als die Sonne hinter den Kraterrand sank, war der Himmel noch immer blau, verdunkelte sich aber rasch, und über den Gebirgskämmen im Osten
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