Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
unumschränkte Autorität, Tuan. Meine Entscheidungen dürfen nicht infrage gestellt werden. Ich könnte Sie aus einer Laune heraus töten, und das Gesetz wäre auf meiner Seite. Heilig ist das Gesetz.«
»Allerdings. Allerdings.« Bandang wischte sich übers Gesicht. »Auch ich … auch ich habe schließlich Wache zu stehen …«
»In einem Büro«, entgegnete Genseng verächtlich.
Warouw trat anmaßend vor. »Erinnern Sie sich an unseren Gast, Kollege?«, fragte er.
»Ja.« Genseng sah Flandry düster an. »Der von den Sternen kam und aus dem Fenster sprang. Wann geht er in den Käfig?«
»Vielleicht nie«, antwortete Warouw. »Ich glaube, er könnte bewegt werden, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Er ist unrein«, murmelte Genseng. Der haarlose Schädel wandte sich wieder den tanzenden Instrumenten zu, als gäbe es allein dort Schönheit zu sehen.
»Ich dachte, Sie möchten ihm vielleicht die Steuerung vorführen.«
»S-s-s-so.« Gensengs Augen trübten sich. Lange stand er einfach nur da und bewegte lautlos die Lippen. Schließlich sagte er: »Ja, ich verstehe.«
Plötzlich funkelte er den Terraner an. »Sehen Sie dorthin«, sagte die pergamentene Stimme. »Beobachten Sie die Männer, die den Fermenter bedienen. Wenn einer von ihnen einen Fehler begeht – nur einen von hundert möglichen Fehlern, die gemacht werden können –, oder eine von tausend denkbaren Fehlfunktionen des Geräts auftritt, würde der Schub, der gerade zubereitet wird, verderben, und eine Million Menschen müssten sterben. Könnten Sie solch eine Bürde tragen?«
»Nein«, antwortete Flandry so leise, als stünde er auf Fulminat.
Genseng wies mit einer kalkigen Hand auf das Instrumentenbrett. »Es ist meine Pflicht, einen Fehler oder eine Funktionsstörung anhand dieser Anzeigen zu erkennen und sie rechtzeitig mit diesen Überrangschaltern zu korrigieren. Seit ich zum ersten Mal Offizier vom Dienst war, habe ich dreihundertsiebenundzwanzigmal einen Schub vor dem Verderben bewahrt. Dreihundertsiebenundzwanzig Millionen Menschen verdanken mir ihr Leben. Können Sie genauso viel für sich in Anspruch nehmen, Fremdweltler?«
»Nein.«
»Sie schulden mir sogar mehr als ihr Leben«, fuhr Genseng trübsinnig fort. »Welchen Nutzen hat das Leben, wenn alles, was dem Leben Sinn verleiht, verloren geht? Besser gibt man die geborgte Kraft sofort den höchsten Göttern zurück, makellos, als sie mit Erbärmlichkeit zu beschmutzen wie Sie, Fremdweltler. Unan Besar verdankt seine Reinheit mir und Männern wie mir. Die Leben, die wir geschenkt haben, können wir wieder nehmen, um diese Reinheit zu bewahren.«
Flandry wies auf den schwarzen Schalter und fragte leise: »Womit ist der verbunden?«
»In den Grundfesten dieser Festung liegt eine Atombombe«, hauchte Genseng. »Jeder Offizier vom Dienst kann sie von seiner Station aus zur Explosion bringen. Alle haben wir geschworen, es zu tun, sollte die heilige Mission je scheitern.«
Flandry riskierte Zynismus: »Aber natürlich werden für die Bioaufsicht ein Reservoir an Medizin und genügend Raumschiffe zur Flucht bereitgehalten.«
»Es gibt welche, die so etwas tun würden«, seufzte Genseng. »Selbst hier grassiert die Seelenpest. Doch lasst sie dann desertieren und in ihre Verdammnis fliehen. Ich kann zumindest mein Volk retten.«
Mit einer schroffen Bewegung wandte er sich wieder seiner Konsole zu. »Gehen Sie!«, brüllte er.
Bandang rannte zur Treppe zurück.
Warouw folgte grinsend als Letzter. Bandang tupfte sich das Gesicht ab, von dem in Strömen der Schweiß rann. »Also wirklich!«, schnaufte er. »Wirklich! Ich glaube wirklich … eine ehrenhafte Verabschiedung in den Ruhestand … Kollege Genseng scheint, äh, die Jahre zu spüren …«
»Sie kennen selbst das Gesetz, Tuan«, entgegnete Warouw in salbungsvollem Ton. »Niemand, der das Mal trägt, darf abgesetzt werden, es sei denn durch Beschluss von seinesgleichen. Sie bekämen dazu nie genug Stimmen zusammen und würden allein durch den Versuch die gesamte extremistische Fraktion verärgern.« Er wandte sich Flandry zu. »Genseng ist irgendwo schon ein Extremfall, das gebe ich zu. Es gibt jedoch genügend andere, die genauso empfinden wie er: Dieses Gebäude fliegt in die Luft, sollte es je so aussehen, als sei die Bioaufsicht ernsthaft gefährdet.«
Flandry nickte. Bislang war er diesen Behauptungen mit einer gewissen Skepsis begegnet. Das war nun vorbei.
»Ich weiß nicht, was das nun Gutes bewirkt haben soll«, sagte
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