Flandry 7: Am Ende des Weges
Äußersten gesträubt – sie waren der Panik nahe, nur Skogda nicht, dessen Gefühle die Form einer verzerrten Grimasse annahmen, die Wut bedeutete. Den Onsaren erging es noch schlimmer. Sie mussten in der Obhut von Leuten zurückgelassen werden, die herbeikamen, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Yewwls Gruppe ging zu Fuß weiter. Zwischen diesen hohen, kahlen Wänden hätte sie kaum gleiten können. Sie fühlte sich in der Falle.
Am Ende blieb sie auf einem Platz stehen, auf dem Bankterrassen standen. Sie sah in einen großen Bildschirm, der in eine klare Kuppel eingelassen war.
– »Richtig, er dient zu Versammlungen«, sagte Banner in Yewwls Kopf. Das vergrößerte Bild eines Mannes erschien. – »Ich bin ihm gelegentlich begegnet«, sagte Banner. »Der Stellvertretende Stationsleiter. Großherzog Edwin hat ihn ernannt …« Den letzten Satz verstand Yewwl nicht.
Das Gespräch huschte hin und her, bis eine Menschenfrau geholt wurde, um zu dolmetschen. Mithilfe eines Vokalisators vermochte sie gebrochen die Sprache der Klane zu sprechen; die ununterstützte ramnuanische Aussprache des Anglischen schien sie allerdings vor Probleme zu stellen. »Was wollt ihr hier?«, fragte sie fordernd.
Yewwl trat vor. Ihr pochte laut das Blut in den Adern; beide Schwingen wogten in seinem Rhythmus. In messerscharfer Klarheit sah sie jede Linie, Rundung und Farbnuance im Gesicht auf dem Bildschirm, dem Gesicht, das dem Antlitz Banners so furchtbar ähnelte. Wenn diese Lippen ein bestimmtes Wort äußerten, wären sie und ihr Sohn und ihre Gefolgschaft so gut wie tot.
– »Mut«, hörte sie das Flüstern. »Ich kenne sie. Sie heißt Gillian Vincent und ist Xenologin wie ich. Ich war mir sicher, dass man sie rufen würde, und … ich glaube, wir werden mit ihr fertig.«
Yewwl hob das Pergament, das sie in der Hand hielt, und rollte es vor dem Bildschirm auf, damit es betrachtet werden konnte. Banner lachte trocken. – »Sie kann eure Sprache nicht besonders gut lesen, aber das will sie nicht zugeben. Durchaus möglich, dass sie nicht einmal deinen Namen erkennt, wenn du ihn ihr nicht selber nennst.«
Das war bei der Planung ein Reißzahn der Schwierigkeit gewesen: Die Urkunde musste ihren Träger nennen, und Yewwls Beziehungen zu Wainwright Station waren wohlbekannt. Da der Name verbreitet und der Plan unglaublich dreist war, hoffte sie, dass sich kein Verdacht regte. Aber …
»Erkläre deine Absichten«, sagte Gillian Vincent.
Yewwl legte ihre Bitte um Hilfe gegen das Eis dar, das Angebot, Ressourcen auszutauschen oder dafür zu arbeiten. Zuerst entgegnete die Frau: »Nein, nein, unmöglich.« Von Banner aufgefordert, beharrte Yewwl auf ihrer dringenden Bitte. Schließlich wurde der Mann zurückgerufen und trat wieder in Sicht. Leise berieten sich die Menschen.
– »Ich kann sie recht gut hören. Sie wissen nicht, was sie von der Sache halten sollen, und wollen dich nicht kurzerhand wegschicken«, frohlockte Banner. »Typisch bürokratische Mentalität.« Die letzten Worte kamen auf Anglisch und waren nur unverständliches Kauderwelsch für Yewwl.
Nach einer Weile sagte Gillian Vincent zu ihr: »Die Angelegenheit kann nicht ohne Weiteres entschieden werden. Wir bezweifeln, dass wir zu der Art Übereinkunft kommen, die du wünschst, aber wir werden es unter uns diskutieren und später wieder mit dir reden. Bis dahin werden unsere Arbeitskräfte euch zu essen geben und eine Unterkunft bereitstellen.«
In Yewwl flammte der Eifer auf. Diese Leute würden davon ausgehen, dass neu eingetroffene Fremde – Primitive, nach ihrer Sicht – umherziehen wollten, um die Wunder der Stadt offenen Mundes anzustarren. Niemand aber würde annehmen, dass Primitive die geheimen Dinge erkennen würden, von denen Banner glaubte, dass sie dort wären.
Worum auch immer es sich handelte.
XI
Die Hooligan flitzte wieder nach Westen, bis die weite düstere Fläche des Roah-Sees unter ihr schimmerte. Der Terminator-Sturm war weitergezogen, und in der Nacht herrschte Ruhe.
Ruhe kannte Flandry nicht. Schroffe Linien durchzogen sein Gesicht, und seine Finger bewegten sich mit gezügeltem Ungestüm, während er das Schnellboot lenkte. Das Navigationssystem fand mithilfe der abgespeicherten Karte die Bucht an der Südküste, die Banner ausgesucht hatte. Die Instrumente verrieten Flandry, dass alles luftdicht war; Chives stapfte umher und vergewisserte sich. Eine Minute lang durchschnitt der Gravitationsantrieb das Wasser, dann
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