Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Sie von Ihrem hohen moralischen Ross herunter. Es lahmt!«
Lutz wusste nicht, was er sagen sollte.
»Lutz?« Sandra kam plötzlich zur Tür herein. »Was machst du hier?«
Was wollte die denn jetzt schon wieder? Ihr Diskurs war zerstört, das wusste er. Sie hatten beide ihr Visier geöffnet und fingen an, Klartext miteinander zu reden. Zu gerne hätte er den Spekulanten weiter aus der Reserve gelockt, auch wenn bis jetzt er die größeren Treffer abbekommen hatte.
»Ich leiste …, ich leiste Herrn Saalfeld etwas Gesellschaft. Das wird doch wohl erlaubt sein.« Nun stand er auf. »Gute Nacht, schlafen Sie gut.« Dann war er auch schon verschwunden.
Nur kurz sah Sandra Lutz hinterher und schüttelte den Kopf. »Sie sehen besser aus. Zum Glück, Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
»So, hab ich das? Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass ich nur etwas übermüdet war.« Schon zeigte er sich wieder von seiner patzigen Seite.
Aber das war sie von ihrer Arbeit gewohnt. Sie versuchte sich ein Bild zu verschaffen. Auf den ersten Eindruck schien Saalfeld wieder etwas lebendiger, aber seine Augen waren immer noch gelb und seine Haut großporig und aschfahl. Ein Schweißfilm hatte seinen ganzen Körper überzogen. Sein Körper kämpfte, gegen was auch immer. Und so sicher, wie Saalfeld es ihr vorspielte, war der Ausgang des Abwehrkampfes nicht. Ob er das selbst wusste? Auf jeden Fall verheimlichte er ihnen etwas.
»Nehmen Sie Lutz nicht ernst. Ich kenn ihn zwar erst seit kurzem, aber der ist, wie soll ich sagen, speziell bis komisch bis verrückt. Und oft unfreundlich. Aber eigentlich, so seltsam es klingt, ist er ganz okay. Ach, er tut mir einfach nur leid.«
»Ist er Ihr Freund?« Saalfeld schlug einen netteren Ton an.
»Lutz?« Sandra lachte laut los. »Das ist wirklich gut! Lutz mein Freund! Ha!« Sie schüttelte den Kopf und stopfte ihm ein frisches Kissen unter den Kopf, das sie in dem Kirschholzschrank gefunden hatte. Dort war auch eine frische Decke, aber damit wollte sie bis morgen warten. »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Menschenkenntnis is nich grad Ihre Stärke, was? Ihre Talente, die liegen wohl woanders?«
»Nun, einer der Herren wird sicher Ihr Freund sein. Schwer vorstellbar, dass Sie niemanden an Ihrer Seite haben. Sie sind keine Frau, die lang allein ist, ob Sie wollen oder nicht.«
Sandra setzte sich. »Haben Sie Hunger? Carlo hat uns allen ein super Risotto gezaubert?«
»Nein, danke, ich habe keinen Hunger, wirklich nicht.«
Diesmal glaubte sie ihm.
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Schwester.«
Sandra holte tief Luft. Sie fragte sich, welche unsichtbare Kraft in diesem Haus die Fäden zog. »Wissen Sie, manchmal frage ich mich, ob nicht genau da der Hund begraben liegt. Allein.« Sie zuckte mit ihren grazilen Schultern, die sich durch den leichten Wollpulli abzeichneten. »Ich war noch nie allein. Immer schon, seit ich denken kann, hab ich jemanden, der irgendwie mein Freund ist. Mal mehr, mal weniger ernst. Je älter man wird, desto ernster vielleicht. Aber ich hatte noch nie Zeit für mich. Nur wenn ich arbeite oder Sport mache. War ja auch immer angenehm, jemanden um sich zu haben, der sich um alles kümmert.«
Sie war erstaunt über ihre eigene Ehrlichkeit.
Da machte Saalfeld etwas, was zumindest für ihn ungewöhnlich war. Saalfeld legte seine Hand auf ihren Arm, gerade so, als wäre Sandra der Patient. Keiner war darüber mehr überrascht als der alte Mann selbst.
»Das ist nun einmal das Schicksal von so außergewöhnlich attraktiven Frauen wie Ihnen. Man lässt Ihnen keine Zeit. Keine Ruhe, sich selber kennenzulernen oder gar zu finden. Allein, dass Sie das erkannt haben! Damit sind Sie vielen einen großen Schritt voraus. Glauben Sie mir.«
Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. »Das ist jetzt schon der zweite Tipp, den Sie mir heute geben. Ich soll erst nicht zu lange mit den Kindern warten und mich dann endlich trauen, alleine zu sein? Das is ja mal ne Herausforderung.«
Nun lachte Saalfeld, woraus gleich wieder ein leichtes Husten wurde.
»Keine Angst, niemand verlangt von Ihnen, eine alleinerziehende Mutter zu werden. So zynisch bin selbst ich nicht.«
»Dann bin ich ja beruhigt.« Sandra stand auf.
»Wer ist denn nun Ihr Freund? Der Koch? Carlo? Schließlich geht Liebe durch den Magen?«
Wie ertappt blieb Sandra stehen.
»Nein, Inspektor Columbo, schon wieder daneben. Vielleicht habe ich ja einen Ihrer
Weitere Kostenlose Bücher