Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Auswahl um eine Flasche Grappa und den obligatorischen Ramazzotti.
Die Musik im Esszimmer wurde wieder etwas heruntergedreht. Den Damen ging wohl die Puste aus. Gemeinsam schoben die beiden Geschwister den gut bestückten Servierwagen durch die Halle, um den Nachtisch einzuläuten.
Allerdings fanden sie die anderen nicht etwa wieder am Tisch vor, sondern in einem Kreis am Boden sitzend. Was sollte das nun wieder? Es hatte was von einem Kindergeburtstag oder einer Yogaklasse. Auch für Carlo und Elli war bereits ein Platz vorgesehen.
»Kommt, setzt euch her! Tina hat ne super Idee. Wir spielen Flaschendrehen!«, verkündete Sandra voller Begeisterung.
»Flaschendrehen? Ich bitt euch! Und was is mit dem Espresso?«, wollte Carlo wissen.
Tina winkte die beiden grinsend zu sich. »Den könn wa doch aufm Boden trinken! Jetzt keine faulen Ausreden!«
Langsam verstand Carlo gar nichts mehr, am wenigsten, dass Anna lässig bei den anderen saß und nun auch einen Joint im Mund hatte. Das hatte er bei ihr noch nie gesehen. Was war nur los mit ihr? Sie schien meilenweit entfernt von ihm, und sie drohte noch weiter abzudriften. Wie sollte Carlo sie halten? Kurz spürte er im Sakko die kleine Schmuckschatulle mit dem Verlobungsring. Zum ersten Mal drückte sie unangenehm auf seine Brust. Als wollte sie ihn warnen. Er war verunsichert. Das war ihm fremd. Widerwillig setzte er sich dazu. Seine Schwester hockte bereits im Schneidersitz am Boden, im Mund ihre qualmende Zigarettenspitze.
Eric Clapton sang von seiner Leila, und Tina beschloss, dass Lutz als Erster die Flasche drehen sollte. »Also, Wahrheit oder Pflicht meets Flaschendrehen. Lutz dreht und wenn dann die Flasche zum Beispiel auf’n Heiko zeigt«, Tina gluckste, »Bingo, dann kann er sich’s aussuchen. Entweder er antwortet ehrlich auf ne Frage, wa. Oooder! Tataah! Er muss was machen, was sich Lutz ausdenkt. Simpel, aber schön gemein. Hey, und ehrlich sein, sonst könn wa’s gleich lassen!«, betonte sie mit erhobenem Finger.
»Von mir aus gern. Dann lassen wir’s halt!« Carlo unternahm noch einmal einen Versuch, dem Spiel zu entkommen.
Sandra, die neben ihm saß, stupste ihn an. »Komm schon! Ist doch irre witzig!«
Es ging los. Lutz fing an, und die Flasche kreiselte zum ersten Mal. Vom Zusehen allein konnte einem schwindelig werden. Alle sahen gebannt in die Mitte, in der Hoffnung, bloß nicht der Star der Premiere zu werden, während Mister Clapton immer noch um seine Leila trauerte. Schließlich ging der Flasche der Schwung aus, und sie suchte sich ihr erstes Opfer. Heiko.
»Na super!«, beschwerte er sich, nichts Gutes ahnend.
Sandra kreischte los und klatschte aufgeregt in die Hände. Auch die anderen amüsierten sich lauthals, weil es ausgerechnet Großmaul Heiko erwischt hatte. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie viele Fans er wirklich hatte. Böswilliges Volk, dachte er sich.
»Und? Wahrheit oder Pflicht?«, drängte ihn seine Freundin.
Lutz blieb still, in seinem Gesicht machte sich ein fieses Grinsen breit. Was es denn nun sein dürfe?
Heiko kämpfte mit sich. Beides könnte übel enden. Andererseits, wer wollte ihm denn beweisen, dass er log, wenn es zu unangenehm wurde? Er setzte sein Pokerface auf, das er sich schon vor langer Zeit vor einem Spiegel genau für solche Momente antrainiert hatte, und sagte ganz cool: »Wahrheit.«
»Hervorragend! Dann möchte ich Folgendes fragen: Würdest du dir auch das gesamte Geld unter den Nagel reißen, wenn wir alle dagegen stimmten?«
Mistkerl, dachte Heiko. Er wusste doch, dass diese Berliner Zecke die Situation schamlos ausnützen würde. Na klar, hatte Heiko das schon längst in Betracht gezogen. Logisch. Wenn die anderen nichts von dem Geld wollten, gerne, umso besser!
»Nein, natürlich nicht«, log er. Zum Teufel mit der Wahrheit.
»Du musst das Spiel schon ernst nehmen, Heiko!«, ermahnte ihn Anna.
Doch der spielte die Unschuld in Person. »Hey, was denkt ihr bitte von mir?«, und frohlockte innerlich, denn jetzt war er am Zug. Er gab der Flasche einen ordentlichen Schubs und gönnte sich einen satten Schluck Rotwein. Inständig hoffte er, die Flasche möge bei Anna oder Tina zum Halten kommen, damit er sie richtig ärgern konnte. Doch die Flasche folgte ihren eigenen Regeln und zeigte auf Elli. Ausgerechnet die! Die war irgendwie so unnahbar, schwebte so über allem. Was sollte er die denn fragen? Welche Körbchengröße sie hatte? Oder entschied sie sich für Pflicht? Das würde die
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