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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schnüffelte an der Mündung und am Verschluss. Val war klar, dass der Korditgeruch noch tagelang an einer Waffe hing.
    »Hast du auf jemanden geschossen?«, fragte der Trucker.
    Val erinnerte sich an Billys »Ahh« und den roten Fleck, der sich über Wladimir Putins Gesicht auf dem T-Shirt ausbreitete. Bei dem Gedanken an das Krachen von Coynes Zähnen, als sie nach dem zweiten, tödlichen Schuss auf den Beton prallten, zuckte er unwillkürlich zusammen. »Zielschießen«, murmelte er.
    Devereaux nickte. »Nette Knarre. Du musst sie sauber halten.«
    Eine Weile fuhren sie schweigend dahin. Seit dem Sonnenuntergang vor zwei Stunden ging es auf der Interstate 70 aus den Bergen nach unten. Als sie sich der Abfahrt zur verlassenen Ortschaft Green River näherten, beleuchteten Mond und Sterne kaum
noch Sandstein und Granit, sondern hauptsächlich hohes Wüstenland.
    Val versuchte, die Erinnerung an Billy Coyne zu verscheuchen. Doch sie verfolgte ihn ständig, besonders nachts hielt sie ihn wach, und seine Gefühle kreisten immer wieder um den einen Gedanken: Ich habe einen Menschen getötet. Manchmal machte ihn diese Vorstellung fast krank, vor allem zur Morgendämmerung hin, doch es lag auch etwas dunkel Erregendes, fast Ekstatisches in der Erinnerung an diese Minuten in der Kanalisation. Und zum Teil wünschte sich Val, sie noch einmal zu durchleben, um wieder das Gefühl von Macht und Befreiung zu spüren, das ihn durchströmt hatte, nachdem er Billy Coyne in Brust und Hals geschossen hatte.
    Aberbis jetzt hatte Val keine seiner Flashbackampullen benutzt, um das Ereignis wiedererstehen zu lassen. Das wäre ihm irgendwie schmutzig vorgekommen.
    Den Blick auf die Konvoilichter und die Highwaystreifen gerichtet dämmerte er schon fast hinüber in den Schlaf, als ihn Devereaux’ Stimme auffahren ließ.
    »Spielst du wirklich mit dem Gedanken, ein selbstständiger Trucker zu werden?«
    »Ja«, antwortete Val. »Ich meine, keine Ahnung. Vielleicht.«
    »Ja, so war das bei mir auch, als ich es mir überlegt habe. Aber es ist machbar, du musst es nur auf einen Versuch ankommen lassen. Von tausend Jungs, die sagen , sie wollen Trucker werden, schafft es höchstens einer. Auf jeden Fall braucht man am Anfang Geld.«
    Jetzt kommt’s. Val war sich sicher, dass ihm Devereaux irgendeinen läppischen Vorschlag machen würde, vorausgesetzt er kam mit der Kohle rüber. Überall die gleiche Scheiße.
    Doch der Fahrer überraschte ihn. »Ich will nicht darauf raus, dass du ein Vermögen brauchst, um dir eine eigene Mühle anzuschaffen. Das kommt erst Jahre später.«

    »Wie bist du denn an das Geld für diesen Lastwagen rangekommen? «
    »Glück.« Devereaux schob den Zahnstocher, auf dem er immer herumkaute, von einem Mundwinkel in den anderen. »Und so wie die Preise für Sattelschlepper steigen, wirst du wahrscheinlich noch mehr Glück – und Mumm – brauchen als ich. Aber ich rede jetzt nur vom Anfang. Du weißt schon, ein paar Jahre als Ersatzmann neben einem wirklich guten Solofahrer sitzen. Das ist möglich …, wenn … «
    Also doch , dachte Val. »Wenn was?«
    »Wenn du eine gut gefälschte National Identity Credit Card hast. Einen Ausweis mit brauchbarem Namen und einem Holo von der Gewerkschaft.« Devereaux warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Ich könnte mir vorstellen, dass du deinen eigenen Namen aus persönlichen Gründen lieber nicht verwenden willst … Richtig?«
    Zögernd nickte Val.
    »Also brauchst du einen möglichst gut gefälschten Ausweis, mit dem du durch alle Absperrungen kommst … Highwaypolizei, Gewichtskontrolle, Milizen. Aber so was kostet dich ungefähr zweihundert Dollar …, alte Dollar.«
    »Lass mich raten«, er widerte Val. »Du kannst mir einen besorgen. «
    Für mehrere lange Sekunden nahm Devereaux die Augen von der Straße und starrte Val giftig an. »Scheiße, Junge. Ich kann dir einen Dreck besorgen, außerdem hast du sowieso keine zweihundert alten Dollar. Du nicht und dein Granddad, der bekloppte Professor, der da hinten bei Perdita und Julio mitfährt, auch nicht. Ich wollte dir nur einen guten Rat geben, und zwar kostenlos. Also spar dir den Scheiß.«
    »Tut mir leid.« Val meinte es ernst. »Ich bin … müde. Ziemlich ausgepowert. Hab nicht mehr richtig geschlafen, seit … Ich meine, klar hätte ich gern eine neue NICC. Aber wie? Und woher?«

    Mehrere Minuten lang fuhr Devereaux schweigend weiter. Schließlich schaltete er herunter, um eine der seltenen Steigungen auf der

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