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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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weiß, wo ich bin.« Während er fleißig weiterlöffelte, schaute sich Val um. »In dem Zeltdorf sind ja haufenweise Familien. Sieht viel freundlicher aus als am Hungarian Freedom Park, wo Leonard – mein Großvater – und ich heute vorbeigekommen sind.«
    Er erzählte Harold und Dottie von den Männern, die ihnen gefolgt waren offenkundig in der Absicht, sie auszurauben. Aber er erwähnte nicht, dass er sie mit der Waffe verjagt hatte.

    Dottie gestikulierte. »Ach, die Parks am Speer Boulevard sind furchtbar. Furchtbar. Alles alleinstehende Männer, bezeichnen sich als Reservearmee. Von denen würde keiner vor Diebstahl oder Vergewaltigung zurückschrecken. Die Stadt Denver zahlt ihnen einen Wochensold, bloß damit sie keinen Krawall machen. Das ist Erpressung und nicht richtig.«
    Mit einem unbestimmten Brummen aß Val weiter.
    Dottie Davison wollte anscheinend ein angenehmeres Thema anschlagen. »Hast du die vielen blauen Zelte beim Country Club gesehen?«
    »Ja, ich glaub schon.« Val griff nach einem frischen Brötchen.
    »Wirklich seltsam«, sagte die Frau. »Seit zwei Monaten kampieren dort schon Tausende von japanischen Soldaten. Sie kommen nie raus. Niemand weiß, warum hier in Denver japanische Soldaten sind …, während unsere Jungs, die kaum älter sind als du, drüben in China für Nippon kämpfen.«
    »Japaner? Sind Sie sicher?«
    »O ja. Wir haben hier eine japanische Dame mit ihren Kindern und Enkeln. Sie hat in Okinawa einen netten amerikanischen Marine geheiratet und ist vor Jahren mit ihm hergezogen, aber er ist inzwischen gestorben. Sie hat die Soldaten reden hören. Die Sergeants oder Officers haben die Truppen angebrüllt und alles auf Japanisch.«
    »Komisch«, meinte Val.
    »Die haben da auch Panzer und andere … Maschinen … und diese Flugzeuge mit den Flügeln, die man nach oben und unten klappen kann und die wie Hubschrauber fliegen.«
    »Senkrechtstarter«, warf Harold ein. »Senkrechtstarter heißen die.«
    »Komisch.« Als er fertig war, fühlte sich Val voll und schläfrig. Er wusste, was er zu tun hatte, aber nicht, wie er es anpacken sollte. Er musste den Alten auffordern, so viel Kohle wie möglich mitzubringen,
damit er sich den gefälschten Ausweis kaufen konnte, und dann brauchte er einen ruhigen Ort, um es zu erledigen.
    Um meinen Vater zu erschießen.
    Sein erster Plan war gewesen, sich ein Telefon zu klauen, den Alten mit dem Geld herzubeordern und ihn dann gleich hier im Park abzuknallen. Schließlich wusste niemand, dass er hier war.
    Bloß … dummerweise hatte er Harold und Dottie seinen Namen genannt. Sogar Leonard hatte er erwähnt. Im Grunde hätte er ihnen gleich seine NICC aushändigen können.
    Es musste also woanders passieren.
    »Du siehst erschöpft aus, Junge«, sagte Harold. »Die Betten sind beide sauber. Leg dich doch einfach ein bisschen in den Schatten unterm Vordach. In der Sonne wird es allmählich ziemlich heiß.«
    Der Mann reichte Val eine dünne graue Decke und ein Kissen mit einem sauberen Bezug.
    Wie schafften sie es als Obdachlose im Park, dass die Sachen sauber und sogar gebügelt aussahen? »Nein, ich bin nicht müde.« Trotzdem, der schattige Bereich vor dem großen Zelt wirkte irgendwie verlockend. Er legte sich hin – nur eine Minute oder so, um alles noch einmal genau zu überdenken. Der Wind frischte auf, und er wickelte sich in die Decke.
     
    Stunden später wachte Val auf. Er hatte keine Uhr, aber es konnte nicht mehr lang bis zur Abenddämmerung sein. Er fluchte innerlich. Er war so ein Blindgänger.
    »Anscheinend warst du doch müde.« Dottie war dabei, auf dem Rost über dem Lagerfeuer etwas warm zu machen. Es roch ziemlich gut.
    Val warf die Decke ab. Nach dem Aufwachen hatte er kurz die belastenden Dokumente in der Wohnwabe seines Vaters vergessen, hatte vergessen, dass sein Vater tatsächlich die Ermordung seiner
Mutter arrangiert hatte. Jeder Gedanke an Essen verflog, als es ihm wieder einfiel und die Erkenntnis über ihn hinwegschwappte wie schwarzer Morast aus einem verstopften Kanalrohr.
    »Kann ich mir mal Ihr Telefon ausleihen, um jemanden anzurufen? Ein Ortsgespräch. Jetzt hab ich gerade kein Geld, aber ich geb’s Ihnen später.«
    »Ach was.« Dottie lachte. »Jeder bekommt irgendwann die Gelegenheit, sich zu revanchieren – auf andere Weise, bei anderen Leuten. Hier hast du das Telefon, Val.«
    Er entfernte sich zwanzig Meter, um ungestört sprechen zu können. Aus irgendeinem Grund rechnete er nicht damit, dass

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