Flashback
verdammt, sogar die bemannte Raumfahrt. Und dann hat sich auch die breite Masse von der Zukunft abgewandt und wollte nur noch Flashback nehmen, um in die Vergangenheit abzutauchen. Dreihundertvierzig Millionen süchtige Amerikaner, zu denen bis letzte Woche auch ich gehört habe, die ihre kleinen Selbstbefriedigungsfantasien nach erleben, weil sie der Realität nicht ins Auge schauen können.«
Sato meldete sich zu Wort. »Bottom-san, wie haben Sie herausgefunden, dass Nippon Flashback entwickelt und nach Amerika geliefert hat?«
Nicks Lachen war noch bitterer als zuvor. »Nicht ich hab es rausgefunden, sondern meine Frau. Und deshalb wurde sie ermordet. «
Sein Blick wanderte über Sato, Nakamura und die Bewaffneten im Zimmer. Dann blieb er an seinem bewusstlosen Schwiegervater hängen. Hatte ihm Leonard nicht einmal erzählt, dass er ein wenig Japanisch sprach? Zuletzt sah er seinen Sohn an. Er wusste, dass er keine Gelegenheit erhalten würde, Val noch einmal zu sagen, wie leid es ihm tat.
»Die im Schlafzimmer nebenan ermordete Frau war uns von der Polizei von Denver als eine Prostituierte namens Keli Bracque aus Japan bekannt. Sie wurde uns als Keigos Sexspielzeug geschildert, sonst nichts. Für uns war sie also Keli Bracque, weil dieser Name in der komplett gefälschten Akte stand, die uns verschiedene japanische Polizeidienste geschickt haben. Die Verwaltung des Nakamurakonzerns hat diese Informationen bestätigt.«
Nick hielt inne. Er war so zornig, dass seine Arme zitterten. Die Hände waren zu Fäusten geballt, die Beine drohten unter ihm einzuknicken.
Sato bellte etwas auf Japanisch, und ein Ninja brachte Nick einen Stuhl. Er setzte sich jedoch nicht, sondern klammerte sich an der Lehne fest, um sich aufrecht zu halten.
»Angeblich war Keli Bracque die Tochter amerikanischer Missionare in Japan.« Nicks Stimme war heiser vor Wut. »Aber das war erlogen. Alles war erlogen. Keli Bracques wirklicher Name war Kumiko Catherine Catton, und sie war die Tochter von Sakura Catton, einer in Amerika geborenen Frau, die seit dem Eintritt ins Erwachsenenalter in Japan gelebt hat. Sie war die Kurtisane eines berühmten japanischen Daimyō. Ihr Japaner habt ja einen Haufen Bezeichnungen für außereheliche Geliebte: Keisi, Gosai, Aijin, Sembo. Die Mafiabosse in Amerika nennen so was Goomaas.«
In der Bibliothek wurde es totenstill. Aus den Augenwinkeln
nahm Nick wahr, dass niemand einen anderen im Raum ansah. Selbst die wachsamen Ninjas starrten bloß auf die eigenen Füße. Nakamura zeigte den auf nichts gerichteten Blick, den die Bewohner von Tokio für Fahrten in der vollen U-Bahn perfektioniert hatten.
»Und jetzt kommt der komplizierte Teil der Geschichte.« Nick deutete auf den Milliardär. »Ihre Familie und die Familien Munetaka, Morikune, Omura, Toyoda, Yoritsugo, Yamashita und Yoshiake haben sich nicht damit begnügt, ganz Japan zurück in den Feudalismus zu werfen, um sich auf diesen heiligen Krieg mit dem Islam vorzubereiten. Sie haben sich nicht damit begnügt, die Keiretsu in politikbestimmende Zaibatsu und Industrielle in Daimyōs zu verwandeln. Sie haben sich nicht damit begnügt, Realitäten wie Shōgun, Samurai, Rōnin und den Kodex Bushido wiedereinzuführen – Sie mussten das feudalistische System auch mit mittelalterlichen Methoden untermauern, mit denen Vasallen zur Treue gezwungen werden.«
Nick schielte kurz hinauf zu dem glühenden roten Auge der Filmkamera.
»Hiroshi Nakamura hatte ein Problem mit einem seiner Vasallen, der als eigenständiger Daimyō und Kriegsfürst zu populär bei den Leuten, ja selbst bei Nakamuras Soldaten wurde. Die Treue dieses Daimyōs stand nie in Zweifel, Mr. Nakamura. Sie wussten, dass er für Sie in den Tod gegangen oder Seppuku verübt hätte, wenn Sie es befohlen hätten. Doch so viel Beliebtheit eines Untergebenen ist an sich schon etwas Gefährliches. Also haben Sie – und Yoritsugo, Yamashita, Yoshiake, Morikune, Omura, Munetaka und Toyoda – es gemacht wie die japanischen Lehnsherren und ihre Pendants im europäischen Mittelalter. Um sich der Treue des betreffenden Kriegerdaimyōs zu versichern, haben Sie sein Kind als eine Art Geisel genommen. Nicht die beiden erwachsenen Söhne von seiner richtigen Frau – einer von ihnen war bereits in
einer Schlacht in China gestorben, und der andere sollte ihm bald folgen –, sondern die geliebte Tochter des Daimyōs von seiner in Amerika geborenen Kurtisane.
So kam Kumiko Catherine Catton, die angebliche
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